Das Geisterhaus
beobachtete sie die
Erwachsenen, ihre Großmutter, strahlend, zur Feier des Tages
mit eingesetzten Zähnen, durch eine ihrer Kinder oder ein
Dienstmädchen Botschaften an ihren Mann richtend, Jaime,
auftrumpfend mit schlechten Manieren, rülpsend nach jedem
Gang und mit dem kleinen Finger in den Zähnen stochernd, um
seinen Vater zu ärgern, Nicolas, mit halb geschlossenen Augen
jeden Bissen fünfzigmal kauend, und Bianca, plappernd über
alles, was ihr einfiel, um die Fiktion eines normalen
Abendessens aufrechtzuerhalten. Trueba verhielt sich relativ
still, bis sein schlechter Charakter zuletzt mit ihm durchging und
er anfing, mit seine m Sohn Jaime über die Armen, die Wahlen,
die Sozialisten und über Prinzipien zu streiten oder Nicolas zu
beschimpfen wegen seines Versuchs, im
Ballon aufzusteigen,
oder weil er mit Alba Akupunktur betrieb, oder Bianca zu
kränken mit seinen brutalen Antworten, seiner Indifferenz oder
der überflüssigen Warnung, sie werde keinen Peso von ihm
erben, da sie ihr Leben selbst zugrunde gerichtet habe. Die
einzige, mit der er sich nicht anlegte, war Clara, aber zu ihr
sprach er fast nie. Gelegentlich überraschte Alba ein Blick ihres
Großvaters, der mit den Augen an Clara hing, sie unverwandt
ansah und dabei bis zur Fremdheit weich und sanft wurde. Aber
das geschah nicht oft, normalerweise ignorierten sich die
Ehegatten gegenseitig. Manchmal verlor Senator Trueba die
Kontrolle und schrie dermaßen, daß er rot anlief und man ihm
kaltes Wasser ins Gesicht schütten mußte, damit sein Koller
verging und er in den Rhythmus der Atmung zurückfand.
In dieser Epoche hatte Bianca den Gipfelpunkt ihrer
Schönheit erreicht. Sie hatte etwas Maurisches, Schmachtendes
und Üppiges, das zum Ausruhen einlud und Vertrauen erweckte.
Sie war groß und füllig, von Temperament hilflos und
weinerlich, was bei den Männern den uralten Beschützerinstinkt
wachrief. Ihr Vater konnte keine Sympathie für sie aufbringen.
Er verzieh ihr die Liebschaft mit Pedro Tercero García nicht und
ließ sie spüren, daß sie von seiner Barmherzigkeit abhing.
Trueba konnte sich nicht erklären, wieso seine Tochter so viele
Verehrer hatte, denn Bianca hatte so gar nichts von der
erregenden Lustigkeit und dem Frohsinn, der ihn an Frauen
anzog, und außerdem dachte er, daß kein normaler Mann den
Wunsch verspüren könnte, eine Frau von schwacher Gesundheit,
mit ungeklärtem Zivilstand und einer Tochter am Hals zu
heiraten. Bianca selbst schien nicht überrascht, daß die Männer
hinter ihr her waren. Sie war sich ihrer Schönheit bewußt. Doch
ihr Verhalten gegenüber den sie besuchenden Herren war
widersprüchlich. Wenn sie sie einerseits mit dem Spiel ihrer
maurischen Augen ermunterte, so hielt sie sie andererseits
vorsichtig auf Distanz. Sobald sie sah, daß einer ernste
Absichten hatte, brach sie die Beziehung mit einer eindeutigen
Weigerung ab. Einige der wirtschaftlich besser Gestellten
versuchten das Herz Biancas dadurch zu gewinnen, daß sie ihre
Tochter verführten. Sie überschütteten sie mit teuren
Geschenken, Puppen, die gehen, weinen und andere allzu
menschliche Fähigkeiten verrichten konnten, wenn man sie
aufzog, sie stopften sie mit Cremetorte voll und nahmen sie in
den Zoo mit, wo das kleine Mädchen in Tränen ausbrach vor
Mitleid mit den armen eingesperrten Tieren, vor allem den
Seehunden, die ein unheimliches Vorgefühl in ihrer Seele
weckten. Diese Besuche im Tiergarten an der Hand irgendeines
gönnerhaften und spendablen Bewerbers hinterließen ihr für den
Rest ihres Lebens einen Abscheu vor Gefängnissen, Mauern,
Gittern und Isolierungen. Derjenige unter den Verliebten, der es
auf dem Weg der Eroberung Biancas am weitesten brachte, war
der König der Dampftöpfe. Trotz seines ungeheuren Reichtums
und seines nachdenklichen, friedfertigen Charakters haßte ihn
Esteban Trueba, weil er beschnitten war, eine Sephardimnase
und krauses Haar hatte. Mit seiner spöttischen und ablehnenden
Haltung brachte er es fertig, diesen Mann zu vertreiben, der in
einem Konzentrationslager überlebt, die Not und das Exil
überwunden hatte und aus dem erbarmungslosen Kampf im
Geschäftsleben als Sieger hervorgegangen war. Solange die
Romanze dauerte, kam der König der Dampftöpfe Bianca
abholen, um sie in die exklusivsten Restaurants auszuführen. Er
kam in einem winzigen zweisitzigen Auto mit Traktorrädern
und Turbinengetöse in den Motoren, das, weil es das einzige
seiner
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