Das Geisterhaus
überreichte. Die Dame, die ganz
vergessen hatte, daß sie ihn mitgenommen hatte, war entzückt,
und so entstand die Idee, daß Töpfern gut sei für mongoloide
Kinder. Zuletzt hielt Bianca Kurse für eine ganze Gruppe
solcher Kinder ab, die an den Donnerstagnachmittagen in die
Werkstatt kamen. Sie kamen in einem Kleinbus, unter der
Aufsicht zweier Nonnen in gestärkten Flügelhauben, die sich in
die Gartenlaube setzten, um mit Clara Schokolade zu trinken
und die segensreichen Wirkungen des Kreuzstichs und die
Rangfolge der Sünden mit ihr zu diskutieren, während Bianca
und ihre Tochter den Kindern beibrachten, Würmer, Kugeln,
plattgedrückte Hunde und unförmige Vasen herzustellen. Am
Ende des Jahres veranstalteten die Nonnen einen Basar und
gaben ein Fest, auf dem die schauerlichen Kunstwerke zu
Wohltätigkeitszwecken verkauft wurden. Bald hatten Bianca
und Alba heraus, daß die Kinder viel besser arbeiteten, wenn sie
sich geliebt fühlten, und daß Zuwendung die einzige Art war,
sich mit ihnen zu verständigen. Sie lernten es, sie zu umarmen,
zu küssen, zu streicheln, bis beide sie zuletzt wirklich liebten.
Alba wartete die ganze Woche auf die Ankunft des Kleinbusses
mit den behinderten Kindern und hüpfte vor Freude, wenn sie
auf sie zuliefen und sie umarmten. Aber die Donnerstage waren
anstrengend.
Alba
legte sich erschöpft hin, die sanften
asiatischen Gesichter der Werkstattkinder drehten sich ihr im
Kopf, und Bianca bekam unweigerlich Migräne. Jedesmal, wenn
die Nonnen im Geflatter ihrer weißen Kutten mit ihrer Schar
Behinderter an der Hand gegangen waren, schloß Bianca ihre
Tochter fest in die Arme, bedeckte sie mit Küssen und sagte, sie
solle Gott dafür danken, daß sie normal sei. Alba wuchs mit dem
Gedanken auf, daß Normalität ein göttliches Geschenk war. Sie
sprach darüber mit ihrer Großmutter.
»Fast in allen Familien ist irgendein Blöder oder Verrückter,
Alba«, versicherte Clara, die Augen starr auf ihr Strickzeug
geheftet, weil sie in all den Jahren nicht gelernt hatte, zu
stricken, ohne hinzuschauen. »Manchmal bekommt man sie
nicht zu sehen, weil die Angehörigen sie verstecken, als ob es
eine Schande wäre. Sie sperren sie in die hintersten Zimmer,
damit Besucher sie nicht zu Gesicht bekommen. Aber in
Wirklichkeit braucht man sich ihrer nicht zu schämen, auch sie
sind Werke Gottes.«
»Aber wir haben keinen in unserer Familie«, gab Alba zu
bedenken.
»Nein. Bei uns ist die Verrücktheit auf alle verteilt, und es ist
nicht genug übriggeblieben, daß auch wir unseren Verrückten
haben.«
So waren die Gespräche mit Clara. Deshalb war die
Großmutter für Alba die wichtigste Person im Haus und die
stärkste Präsenz in ihrem Leben. Sie war der Motor, der alles in
Gang setzte und dem zu verdanken war, daß das magische
Universum im hinteren Teil das großen Eckhauses, in dem Alba
ihre ersten sieben Jahre in vollkommener Freiheit verbrachte,
jederzeit funktionierte.
Alba gewöhnte sich an die
Absonderlichkeiten ihrer Großmutter. Es überraschte sie nicht,
wenn sie sie in Trance, mit angezogenen Beinen in ihrem Sessel
sitzend, wie von einer unsichtbaren Kraft getrieben durch den
ganzen Salon fahren sah. Sie begleitete sie auch auf allen ihren
Wanderungen durch Krankenhäuser und Armenheime, wo sie
ihrer Herde von Notleidenden auf der Spur zu bleiben suchte.
Sie lernte sogar mit vierfacher Wolle und dicken Nadeln die
Jacken stricken, die ihr Onkel Jaime zu verschenken pflegte,
sobald er sie einmal angezogen hatte, nur um das zahnlose
Lächeln ihrer Großmutter zu sehen, wenn sie auf der Jagd nach
gefallenen Maschen zu schielen begann. Clara schickte sie
häufig zu Esteban Trueba, damit sie ihm Botschaften brachte,
weshalb sie in der Familie den Spitznamen Brieftaube erhielt.
Das kleine Mädchen nahm an den Freitagssitzungen teil, wo der
dreibeinige Tisch am hellichten Tag Sprünge vollführte, ohne
daß ein Trick, eine bekannte Energie oder ein Hebel im Spiel
gewesen wären, und an den literarischen Abenden, wo sie bald
mit anerkannten Meistern, bald mit einer wechselnden Zahl
schüchterner, unbekannter Dichter in Berührung kam, die Clara
unter ihre Fittiche genommen hatte. Zu dieser Zeit aßen und
tranken viele Gäste im großen Eckhaus. Hier lebten
vorübergehend oder kamen wenigstens zu den spiritistischen
Sitzungen, den kulturellen Vorträgen und den gesellschaftlichen
Veranstaltungen fast alle wichtigen Leute des Landes,
einschließlich des Dichters, der
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