Das Geisterhaus
die Hauptstadt anzutreten, um mit dem Patron zu
sprechen. Er konnte nicht bis nächsten Sommer warten, um ihm
zu sagen, was er auf dem Herzen hatte. Plötzlich fühlte er sich
beobachtet. Er drehte sich um und stand vor einem kleinen
Mädchen mit Zöpfen und gestickten Kniestrümpfen, das ihn von
der Tür aus ansah.
»Wie heißt du?« forschte das kleine Mädchen.
»Esteban García«, sagte er.
»Ich heiße Alba Trueba. Merk dir meinen Namen.«
»Ich merke ihn mir.«
Sie sahen sich lange an, ehe Alba Vertrauen gefaßt hatte und
näher zu kommen wagte. Sie erklärte ihm, daß er warten müsse,
weil ihr Großvater noch nicht vom Kongreß nach Hause
gekommen sei, sie erzählte ihm, daß wegen des Fests ein großer
Wirbel in der Küche herrsche, und verhieß ihm, daß sie später
sicher ein paar Süßigkeiten ergattern könne, die sie ihm bringen
wolle. Esteban García fühlte sich entspannter. Er ließ sich auf
einem der schwarzen Sessel nieder, zog nach und nach das Kind
an sich und setzte es sich auf die Knie. Alba roch nach Bayrum,
ein frischer, zarter Duft, in den sich ihr natürlicher Geruch eines
verschwitzten Kindes mischte. Der junge Mann hielt die Nase
an ihren Hals und atmete diesen ihm unbekannten Duft von
Reinlichkeit und Wohlbefinden ein, und Tränen traten ihm in
die Augen, ohne daß er wußte, warum. Er fühlte, daß er dieses
Geschöpf fast ebensosehr haßte wie den alten Trueba. In Alba
fand er das verkörpert, was er niemals haben würde und niemals
sein würde. Er wünschte, sie zu beschädigen, zu vernichten, aber
er wollte auch weiterhin ihren Geruch riechen, ihre
Kinderstimme hören, ihre zarte Haut in Reichweite haben.
Er streichelte ihre Knie über dem Rand der gestickten
Kniestrümpfe, sie waren lau und hatten kleine Grübchen. Alba
plapperte weiter von der Köchin, die den Hühnern für das
Festessen Nüsse in den Popo steckte. Er schloß die Augen, er
zitterte. Er legte eine Hand um den Hals des kleinen Mädchens,
er fühlte das Kitzeln ihrer Zöpfe auf seinem Handgelenk, und
ganz sanft begann er zu drücken, sich bewußt, daß sie so klein
war, daß er sie mit einer minimalen Kraftanwendung erdrosseln
konnte. Er spürte den Wunsch, es zu tun. Er wollte sie umkippen
und auf seinen Knien zappeln, nach Luft schnappen und um sich
schlagen sehen. Er wünschte sie stöhnen und in seinen Armen
sterben zu hören, er wünschte sie auszuziehen und fühlte sich
heftig erregt. Seine andere Hand schob sich unter das gestärkte
Kleid, strich die kindlichen Schenkel hoch, traf auf die Spitze
des Batistunterrocks und die wollenen Pumphöschen mit
Gummizug. Er keuchte. In einem Winkel seines Gehirns hatte er
noch genügend Verstand, um sich klarzumachen, daß er am
Rand eines Abgrunds stand. Das kleine Mädchen hatte aufgehört
zu sprechen, saß still, ihn mit seinen großen schwarzen Augen
anblickend. Esteban García nahm die Hand des kleinen
Geschöpfs und legte sie auf sein hart gewordenes Glied.
»Weißt du, was das ist?« fragte er heiser.
»Dein Penis«, antwortete sie, die das auf den Bildtafeln der
medizinischen Bücher ihres Onkels Jaime und auch an ihrem
Onkel Nicolas gesehen hatte, wenn er nackt seine asiatischen
Übungen machte.
Esteban García zuckte zusammen. Er stand so jäh auf, daß sie
auf den Teppich fiel. Er war überrascht und erschrocken, seine
Hände zitterten, seine Knie fühlten sich weich an, und seine
Ohren brannten. In diesem Augenblick hörte er die Schritte von
Senator Trueba auf dem Gang, und Sekunden später, noch ehe
er wieder zu Atem gekommen war, betrat der alte Mann die
Bibliothek.
»Warum ist es hier so dunkel?« donnerte er mit seiner
Erdbebenstimme.
Trueba machte Licht und erkannte den jungen Mann nicht,
der ihn mit stieren Augen ansah. Er streckte die Arme nach
seiner Enkelin aus, in denen sie wie ein geschlagener Hund für
eine Weile Zuflucht suchte, aber gleich darauf machte sie sich
los und lief, die Tür hinter sich zuziehend, aus dem Zimmer.
»Wer bist denn du?« raunzte Trueba den jungen Mann an, der
ebenfalls sein Enkel war.
»Esteban García. Erinnern Sie sich nicht an mich, Patron?«
brachte der andere stammelnd hervor.
Da erkannte
Esteban Trueba in ihm den heimtückischen
kleinen Jungen, der vor Jahren Pedro Tercero García verraten
und dessen abgeschnittene Finger vom Boden aufgehoben hatte.
Es war ihm klar, daß es nicht leicht sein würde, ihn
wegzuschicken, ohne ihn anzuhören, obwohl er es zur Norm
gemacht
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