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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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altmodische
Haus, das sich äußerlich in all den Jahren nicht verändert hatte.
Ein Portier empfing uns und führte uns in den Hauptsalon, in
dem ich schon einmal gewesen war, wie ich mich erinnerte,
noch zu Zeiten der französischen oder, besser gesagt, mit
französischem Akzent sprechenden Matrone. Ein kleines
Mädchen, als Schülerin gekleidet, brachte uns ein Glas Wein auf
Kosten des Hauses. Einer meiner Freunde versuchte, sie um die
Taille zu fassen, aber sie belehrte ihn, daß sie zum
Dienstpersonal gehöre: wir müßten auf die Professionellen
warten. Kurz darauf öffnete sich ein Vorhang, und was erschien,
war wie eine Vision von alten arabischen Fürstenhöfen: ein
riesiger Neger, so schwarz, daß er blau aussah, mit geölten
Muskeln und bekleidet mit Pumphosen aus karottenfarbener
Seide, einer ärmellosen Weste und einem Turban aus violettem
Lame. Dazu trug er türkische Pantoffeln und in der Nase einen
goldenen Ring. Als er lächelte, sahen wir, daß alle seine Zähne
aus Blei waren. Er stellte sich uns als Mustafa vor und reichte
uns ein Fotoalbum, damit wir uns die Ware aussuchen konnten.
Zum erstenmal seit langem lachte ich aus vollem Hals, denn die
Vorstellung von einem Prostituiertenkatalog erschien mir sehr
amüsant. Wir blätterten das Album durch, in dem es dicke und
dünne, langhaarige und kurzhaarige Frauen gab, als Nymphen,
als Amazonen, als Novizinnen, als Hofdamen gekleidet, ohne
daß ich mich für eine hätte entscheiden können, weil sie
allesamt wie mit Füßen getreten, wie Blumen auf einer Galatafel
aussahen. Auf den letzten drei Seiten des Albums waren
ausschließlich Fotos von jungen Männern, Jünglingen in
griechischen Tuniken, die lorbeerbekränzt zwischen falschen
spätgriechischen Ruinen spielten, abscheulich anzusehen mit
ihren dicken Arschbacken und ihren langwimprigen Lidern.
Außer Carmelo, der sich im Farolito Rojo als Japanerin
verkleidete, hatte ich noch nie einen ungetarnten Schwulen aus
der Nähe gesehen, deshalb überraschte es mich, daß sich einer
meiner Freunde, Börsenmakler von Beruf und Familienvater,
einen dieser Hinterlader im Album aussuchte. Wie durch Magie
kam dieser Junge hinter dem Vorhang hervor und zog meinen
Freund kichernd und mit weibliche m Hüftenschwenken mit sich
fort. Mein anderer Freund entschied sich für eine schwabbelige
Odaliske, mit der er, wie ich vermutete, seines fortgeschrittenen
Alters und zarten Körperbaus wegen keine Heldentaten
verrichten konnte, aber wie immer, auch er ging, vom Vorhang
verschluckt, mit ihr ab.
»Ich sehe schon, daß dem Herrn die Entscheidung
schwerfällt«, sagte Mustafa verständnisvoll. »Wenn Sie
erlauben, bringe ich Ihnen das Beste, was das Haus zu bieten
hat. Ich werde Ihnen Aphrodite vorstellen.«
Und Aphrodite betrat den Salon, drei Stockwerke Löckchen
auf dem Kopf, mangelhaft von drapiertem Tüll bedeckt und von
den Schultern bis zu den Knien von künstlichen Trauben
überrieselt. Es war Tránsito Soto, die trotz der kitschigen
Trauben und des Zirkustülls etwas endgültig Mythologisches
angenommen hatte.
»Ich freue mich, Sie zu sehen, Patron«, sagte sie zur
Begrüßung.
Sie führte mich durch den Vorhang, und wir standen in einem
kleinen Innenhof, dem Herzen dieses labyrinthischen Bauwerks.
Das Cristóbal Colón bestand aus zwei oder drei alten Häusern,
die in strategischer Absicht durch Hinterhöfe, Gänge und
Brücken miteinander verbunden waren. Tránsito Soto führte
mich in ein unauffälliges, aber sauberes Zimmer, dessen einzige
Extravaganz in erotischen Fresken bestand, die ein
mittelmäßiger Maler nach pompejanischem Vorbild schlecht
und recht auf die Wand gepinselt hatte, und einer großen,
altmodischen Badewanne mit fließendem Wasser. Ich pfiff
bewundernd durch die Zähne.
»Wir haben an der Innenausstattung einiges geändert«, sagte
sie.
Tránsito nahm sich die Trauben und den Tüll ab und war
wieder die Frau, an die ich mich erinnerte, nur begehrenswerter
und weniger verletzlich, aber mit demselben ehrgeizigen
Ausdruck in den Augen, der mich schon fesselte, als ich sie
kennenlernte. Sie erzählte mir von der Prostituierten- und
Schwulenkooperative, die ein fabelhafter Erfolg sei. Alle
gemeinsam hätten sie das Cristóbal Colón aus der
Verwahrlosung, in der die falsche französische Madame es
hinterlassen hatte, herausgeholt und so lange gearbeitet, bis es
ein gesellschaftliches Ereignis geworden sei, eine historische
Sehenswürdigkeit, von der

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