Das Geisterhaus
Tercero García nicht zu
erwähnen, weil sie die Wirkung kannte, die sein Name in ihrer
Familie hervorrief. Intuitiv begriff sie, daß zwischen dem Mann
mit den abgeschnittenen Fingern, der ihre Mutter auf den Mund
küßte, und ihrem Großvater etwas Schlimmes geschehen sein
mußte, aber alle, selbst Pedro Tercero, wichen ihren Fragen aus.
In der Intimität des gemeinsamen Schlafzimmers erzählte ihr
Bianca manchma l Anekdoten über ihn und sang ihr seine Lieder
vor, mit der Empfehlung, sie ja nicht im Haus zu trällern. Aber
daß er ihr Vater war, sagte sie ihr nicht, ja es schien, als hätte sie
selbst es vergessen. In ihrer Erinnerung war die Vergangenheit
eine Folge von Gewalttätigkeiten, Verlassenheit und
Traurigkeit, aber sie war sich nicht sicher, ob die Dinge wirklich
so abgelaufen waren, wie sie dachte. Die Episode mit den
Mumien, den Porträtaufnahmen und dem unbehaarten Indio in
den Louis-XV-Schuhen, die ihre Flucht aus dem Haus ihres
Gatten veranlaßt hatten, waren ihrem Gedächtnis entfallen. Sie
erzählte Alba die Geschichte von dem in der Wüste an Fieber
gestorbenen Grafen so oft, daß sie zuletzt selber daran glaubte.
An dem Tag, an dem, Jahre später, ihre Tochter kam und ihr
mitteilte, die Leiche Jean de Satignys liege im Eisschrank der
Morgue, war sie nicht froh, weil sie sich schon seit vielen Jahren
als Witwe fühlte. Sie machte auch keinen Versuch, ihre Lüge zu
rechtfertigen. Sie holte ihr altes schwarzes Schneiderkostüm aus
dem Schrank, steckte sich die Kämme in den Knoten und ging
mit ihrer Tochter den Franzosen auf dem Hauptfriedhof
beerdigen, in einem der städtischen Armengräber, da Senator
Trueba sich geweigert hatte, ihm einen Platz im lachsfarbenen
Mausoleum abzutreten. Mutter und Tochter gingen allein hinter
dem schwarzen Sarg, den sie dank der Großzügigkeit Jaimes
hatten kaufen können. Sie kamen sich ein wenig lächerlich vor
in der sommerlich schwülen Mittagshitze, einen Strauß welker
Blumen in der Hand und ohne Tränen für die einsame Leiche.
»Ich sehe, daß mein Vater nicht einmal Freunde hatte«,
kommentierte Alba.
Auch bei dieser Gelegenheit verschwieg Bianca ihrer Tochter
die Wahrheit.
Nachdem ich Clara und Rosa in mein Mausoleum gebettet
hatte, fühlte ich mich etwas ruhiger, weil ich wußte, daß wir drei
früher oder später dort vereint und mit anderen geliebten
Menschen Zusammensein würden: mit meiner Mutter, der Nana
und selbst mit Férula, die mir hoffentlich verziehen hat. Ich
dachte nicht, daß ich so lange leben würde, wie ich gelebt habe,
und daß sie so lange auf mich würden warten müssen.
Das Zimmer von Clara war immer abgeschlossen. Ich wollte
nicht, daß jemand hineinging, damit nichts verändert würde und
ich dort ihrem Geist begegnen konnte, sooft ich es wünschte. Ich
begann an Schlaflosigkeit zu leiden, dem Leiden aller alten
Leute. In meinem alten bischöflichen Schlafrock, den ich aus
sentimentalen Gründen bis heute aufgehoben habe, schlurfte ich
in den zu groß gewordenen Pantoffeln durchs Haus und murrte
wie ein kraftloser Greis gegen das Schicksal. Mit dem
Sonnenlicht gewann ich meinen Lebenswillen zurück. Zum
Frühstück erschien ich im gestärkten Hemd in meinem
Traueranzug, rasiert und ruhig, las die Zeitung mit meiner
Enkelin, erledigte meine geschäftlichen Angelegenheiten und
die Korrespondenz und verließ dann das Haus für den Rest des
Tages. Ich aß auch nicht mehr zu Hause, nicht einmal an den
Samstagen und Sonntagen, denn ohne die katalysierende
Wirkung Claras sah ich keinen Grund, den ewigen Streit mit
meinen Kindern zu ertragen.
Meine beiden einzigen Freunde versuchten mir die Trauer von
der Seele zu nehmen. Sie aßen mit mir zu Mittag, wir spielten
Golf, sie forderten mich beim Domino heraus. Mit ihnen
diskutierte ich meine Geschäfte, sprach über Politik und
manchmal von der Familie. Eines Abends, als sie mich munterer
als sonst fanden, luden sie mich ins Cristóbal Colón ein, in der
Hoffnung, daß ich bei einer gefälligen Frau meine gute Laune
wiederfände. Keiner von uns war mehr in einem Alter für solche
Abenteuer, aber wir tranken ein paar Gläser und zogen los.
Ich war vor einigen Jahren im Cristóbal Colón gewesen, hatte
es aber fast vergessen. In letzter Zeit stand dieses Hotel bei
Touristen in hohem Ansehen, Provinzler reisten eigens in die
Hauptstadt, um es aufzusuchen und ihren Freunden davon
berichten zu können. Wir kamen an das große,
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