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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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nicht doch
etwas Wahres sei. Ihre erste Reaktion war Stolz, und sie hätte
das Angebot rundweg abgelehnt, sei es auch nur der schönen
Geste wegen, aber Clara ließ ihr keine Zeit dazu. Sie beugte sich
zu ihr hinüber und küßte sie so unschuldsvoll auf die Wange,
daß Férula die Selbstbeherrschung verlor und in Weinen
ausbrach. Seit langem hatte sie keine Tränen mehr vergossen,
und erstaunt stellte sie fest, wie sehr eine solche Regung der
Zärtlichkeit ihr gefehlt hatte. Sie konnte sich nicht mehr
erinnern, wann jemand sie zum letzten Mal spontan berührt
hatte. Sie weinte lange, löste all ihre vergangenen Traurigkeiten
und Einsamkeiten in Tränen auf, Hand in Hand mit Clara, die
ihr half, sich die Nase zu putzen, und die ihr zwischen
Aufschluchzen und Aufschluchzen ein Stückchen Kuchen, ein
Schlückchen Tee gab. Weinend und redend saßen sie bis acht
Uhr abends und besiegelten an diesem Nachmittag im Hotel
Francés einen Freundschaftspakt, der viele Jahre halten sollte.
    Kaum war die Trauer um den Tod Doña Esters vorüber und
der Bau des großen Eckhauses beendet, schlossen
Esteban
Trueba und Clara del Valle in einer diskreten Feier die Ehe.
Esteban schenkte seiner Braut einen Brillantschmuck. Sie fand
ihn sehr hübsch, legte ihn in einen Schuhkarton und vergaß
gleich danach, wo sie ihn hingestellt hatte. Sie reisten nach
Italien, und zwei Tage nachdem sie sich eingeschifft hatten,
fühlte sich Esteban verliebt wie ein Jüngling, obwohl Clara vom
Schlingern des Schiffs seekrank wurde und der Aufenthalt im
geschlossenen Raum ihr Asthma verursachte. Während er in der
engen Kabine neben ihr saß und ihr feuchte Kompressen auf die
Stirn legte, fühlte er sich tief glücklich und begehrte sie mit
einer Intensität, die angesichts ihres elenden Zustandes kaum
gerechtfertigt schien. Am Morgen des vierten Tages fühlte sie
sich besser: sie gingen an Deck, um das Meer zu bewundern, als
er sie sah, mit ihrer vom Wind geröteten Nase, lachend über jede
Kleinigkeit, schwor sich Esteban, daß sie ihn früher oder später
so lieben werde, wie er geliebt sein wollte, und wenn er die
unmöglichsten Mittel anwenden müßte, um es zu erreichen. Er
fühlte, daß Clara ihm nicht gehörte und ihm wahrscheinlich nie
gehören würde, wenn sie fortfuhr, mit dreibeinigen, selbständig
sich bewegenden Tischen und Künftiges erforschenden Karten
in einer Geisterwelt zu leben. Auch die sorglose, schamfreie
Sinnlichkeit Claras genügte ihm nicht. Er wollte mehr als ihren
Körper, er wollte diese nicht zu fassende, strahlende Materie in
ihrem Inneren für sich haben, die sich ihm selbst in jenen
Augenblicken entzog, in denen Clara vor Lust dem Tode nahe
war. Er fühlte, daß seine Hände sehr schwer, seine Füße sehr
groß, seine Stimme sehr hart, sein Bart sehr rauh waren, er
wußte, daß die Gewohnheit, Frauen zu vergewaltigen, und sein
Umgang mit Prostituierten tief in ihm verwurzelt waren, aber
auch, wenn er sich umdrehen müßte wie einen Handschuh: er
war bereit, sie zu verführen.
    Nach drei Monaten kehrten sie von ihren Flitterwochen
zurück. Férula erwartete sie im neuen Haus, das noch nach
Malerfarbe und frischem Beton roch und in dem auf Anordnung
Estebans überall Blumen und Schalen voll Obst standen. Als er
das erstemal über die Schwelle trat, nahm Esteban seine Frau
auf die Arme. Überrascht stellte seine Schwester fest, daß sie
keinerlei Eifersucht verspürte und daß Esteban wie verjüngt war.
»Das Heiraten hat dir gutgetan«, sagte sie.
    Er führte Clara durchs Haus. Sie besah sich alles und fand
alles sehr hübsch, mit der gleichen Höflichkeit, mit der sie einen
Sonnenuntergang auf hoher See, die Piazza San Marco oder den
Brillantschmuck hübsch gefunden hatte. An der Tür des ihr
zugedachten Zimmers bat Esteban sie, die Augen zu schließen,
und führte sie an der Hand in die Mitte des Raums.
»Jetzt kannst du sie aufmachen«, sagte er.
    Clara sah sich um. Es war ein großes Zimmer, die Wände mit
hellblauer Seide tapeziert, englische Möbel, Fenstertüren vor
dem Balkon, der auf den Garten ging, und ein Himmelbett mit
Tüllvorhängen, das wie ein Segelschiff im stillen Wasser der
blauen Seide zu schwimmen schien.
»Sehr hübsch«, sagte Clara.
    Da deutete Esteban auf die Stelle, auf der sie stand. Das war
die wunderbare Überraschung, die er sich für sie ausgedacht
hatte. Clara sah nach unten und stieß einen Schreckensschrei
aus: sie stand auf dem

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