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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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schwarzen Rücken von Barrabas, der mit
ausgestreckten Pfoten und unversehrtem Kopf als Teppich auf
dem Boden lag und sie mit der allen ausgestopften Tieren
eigenen Schutzlosigkeit aus seinen zwei Glasaugen anblickte.
Ihr Mann konnte sie gerade noch auffangen, ehe sie ohnmächtig
zu Boden sank.
    »Ich habe dir gleich gesagt, daß es ihr nicht gefallen wird«,
sagte Férula.
Rasch wurde
Barrabas’ gegerbtes Fell aus dem Zimmer
entfernt und in einen Winkel im Keller geworfen, wo es künftig
neben den magischen Büchern in den verwunschenen Koffern
von Onkel Marcos und anderen Schätzen lag und sich mit einer
Standhaftigkeit, die eines besseren Anlasses würdig gewesen
wäre, gegen die Motten und die Verlassenheit verteidigte, bis
spätere Generationen es wieder hervorholten.
Bald zeigte sich, daß Clara schwanger war.
Férulas
Zuneigung zu Clara steigerte sich zu einer wahren Leidenschaft,
sie zu umsorgen, einer Hingabe, ihr zu dienen, und einer
unbegrenzten Duldung ihrer Zerstreutheiten und Extravaganzen.
Für
Férula, die ihr Leben mit der Pflege einer alten,
unaufhaltsam verfallenden Frau verbracht hatte, war es der
Himmel, Clara umhegen zu dürfen. Sie badete sie, parfümierte
das Wasser mit Basilikum und Jasmin, wusch sie mit dem
Schwamm, seifte sie ein, rieb sie mit Kölnischwasser ab,
puderte sie mit Schwanenflaum und bürstete ihr das Haar, bis es
glänzend und geschmeidig wurde wie eine Meerespflanze,
genau wie die Nana es früher getan hatte.
    Lange bevor sich seine Ungeduld als junger Ehemann legte,
mußte Esteban auf die Drei Marien zurück, auf die er über ein
Jahr lang keinen Fuß gesetzt hatte und die bei aller
Gewissenhaftigkeit Pedro Segundo Garcías die Anwesenheit des
Patrons erforderten. Die Besitzung, die früher sein Paradies und
sein ganzer Stolz gewesen war, langweilte ihn nun. Er sah die
ausdruckslos auf den Weiden wiederkäuenden Kühe, das
bedächtige Tagewerk der Bauern, die lebenslänglich jeden Tag
die gleichen Handgriffe wiederholten, die unwandelbaren,
beschneiten Gipfel der Kordilleren und die zarte Rauchsäule
über dem Vulkan und fühlte sich wie ein Gefangener.
    Während er sich auf dem Land aufhielt, pendelte sich das
Leben im großen Eckhaus auf einen sanften, männerlosen
Tagesablauf ein. Am Morgen wachte Férula als erste auf, da ihr
aus der Zeit der Krankenwache bei ihrer Mutter die Gewohnheit
geblieben war, früh aufzustehen, aber ihre Schwägerin ließ sie
ausschlafen. Am späten Vormittag brachte sie selbst ihr das
Frühstück ans Bett, zog die blauseidenen Vorhänge zurück,
damit die Sonne hereinschien, und ließ die französische, mit
Seerosen bemalte Badewanne voll Wasser laufen, damit Clara
Zeit hatte, die Schläfrigkeit abzuschütteln, die jeweiligen Geister
vom Dienst zu begrüßen, das Frühstückstablett heranzuziehen
und die gerösteten Brotschnitten in die dicke Schokolade zu
tunken. Dann holte sie sie mit der Fürsorglichkeit einer Mutter
unter Liebkosungen aus dem Bett. Dabei erzählte sie ihr die
erfreulichen Zeitungsnachrichten, die allerdings täglich weniger
wurden, so daß sie die Lücken mit Klatschgeschichten über die
Nachbarn, Berichten über kleine häusliche Zwischenfälle oder
erfundenen Anekdoten füllen mußte, die Clara sehr hübsch fand
und nach fünf Minuten vergaß, was den Vorteil hatte, daß Férula
ihr dasselbe mehrmals erzählen konnte und Clara sich wie beim
erstenmal darüber amüsierte.
    Férula führte sie spazieren, damit sie an die frische Luft kam,
»das ist gut für das Kleine«, oder einkaufen, damit ihm auch
nichts fehlte, wenn es auf die Welt kam, oder Mittagessen in den
Golfclub, »damit alle sehen, wie hübsch du geworden bist, seit
du meinen Bruder geheiratet hast«, oder zu einem Besuch zu
ihren Eltern, »damit sie nicht glauben, du hast sie vergessen«,
oder ins Theater, »damit du nicht jeden Abend zu Hause sitzt«.
Clara ließ sich führen mit einer Sanftmut, die nicht Dummheit,
sondern Zerstreutheit war, und wandte ihre ganze
Konzentrationsfähigkeit auf die vergeblichen Versuche, sich
telepathisch mit
Esteban zu verständigen, bei dem ihre
Botschaften nicht ankamen, und ihre Hellseherfähigkeiten zu
vervollkommnen.
    Zum erstenmal, solange sie zurückdenken konnte, fühlte sich
Férula glücklich. Clara stand ihr näher als je ein anderer
Mensch, näher sogar als ihre Mutter. Einer Frau von geringerer
Originalität als Clara wären die ständige Fürsorge Férulas und
die

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