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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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sie die Vorsicht fallen und legte in tausend
Kleinigkeiten eine Anbetung an den Tag, die von Esteban nicht
unbemerkt blieb. Wenn er vom Land zurückkam, suchte Férula
ihm einzureden, Clara hätte einen ihrer, wie sie sagte,
»schlimmen Momente«, damit er nicht in ihrem Bett schlief und
nur bei seltenen Gelegenheiten und nur für kurze Zeit mit ihr
zusammen war. Sie schützte Anordnungen von Doktor Cuevas
vor, die sich bei Befragen des Arztes als erfunden herausstellten.
Auf tausend Arten stellte sie sich zwischen die Eheleute, und
wenn nichts mehr half, redete sie den Kindern ein, sie sollten
ihren Vater bitten, mit ihnen spazierenzugehen, oder ihrer
Mutter, mit ihnen zu lesen, oder beide, bei ihnen zu bleiben,
wenn sie Fieber hatten, oder mit ihnen zu spielen. »Die armen
Kleinen, sie brauchen ihren Papa und ihre Mama, den ganzen
Tag sind sie bei dieser unwissenden Alten, die ihnen
rückständige Ideen in den Kopf setzt und sie mit ihrem
Aberglauben verblödet, in ein Heim müßte man die Nana
stecken! Die Dienerinnen Gottes haben ein Asyl für alte
Hausangestellte, das hervorragend sein soll, die Frauen werden
wie Damen behandelt, sie brauchen nicht zu arbeiten und
bekommen gutes Essen, das wäre das menschlichste, arme
Nana, sie kann doch nicht mehr«, sagte sie. Ohne den Grund
dafür entdecken zu können, fühlte sich
Esteban in seinem
eigenen Haus nicht mehr wohl. Er spürte, daß sich seine Frau
immer mehr von ihm entfernte, immer sonderbarer und
unzugänglicher wurde, daß er sie nicht mehr erreichen konnte,
weder mit Geschenken noch mit seinen schüchternen
Zärtlichkeitsbeweisen, noch mit der hemmungslosen
Leidenschaft, die ihn stets in ihrer Gegenwart überkam. In dieser
ganzen Zeit war seine Liebe bis zur Besessenheit gewachsen. Er
wollte, daß Clara nur noch an ihn dachte, daß sie kein anderes
Leben mehr hatte als das mit ihm geteilte, daß sie ihm alles
erzählte und nichts besaß, was nicht aus seinen Händen kam: sie
sollte allein von ihm abhängen.
    Aber die Wirklichkeit war anders. Clara schien durch die
Lüfte zu segeln wie ihr Onkel Marcos, abgehoben vom festen
Boden: sie suchte Gott mit tibetanischen Praktiken, sie befragte
mittels dreibeiniger Tische die Geister, die Klopfzeichen gaben,
zweimal, ja, dreimal, nein, sie entschlüsselte Botschaften aus
anderen Welten, die ihr sogar noch die Beschaffenheit der
Regenfälle anzeigen konnten. Einmal verkündeten sie, unter
dem Kamin läge ein Schatz vergraben. Sie ließ die Mauer einreißen, er kam nicht zum Vorschein, dann die Treppe, auch hier
nicht, schließlich die Hälfte des großen Salons, nichts. Zuletzt
stellte sich heraus, daß der Geist, irregeleitet von den
architektonischen Veränderungen, die Clara am Haus hatte
vornehmen lassen, nicht bemerkt hatte, daß das Versteck mit
den Golddublonen nicht im Hause Trueba, sondern auf der
anderen Straßenseite im Haus der Ugarte lag, die sich jedoch
weigerten, ihr Eßzimmer einreißen zu lassen, weil sie der
Geschichte mit dem spanischen Gespenst keinen Glauben
schenkten. Clara war unfähig, Bianca die Zöpfe zu flechten,
damit sie zur Schule gehen konnte, das besorgte Férula oder die
Nana, aber sie hatte eine fabelhafte Beziehung zu ihr, auf der
gleichen Grundlage, auf der auch die Beziehung zu ihrer Mutter
verlaufen war: sie erzählten sich Geschichten, lasen in den
magischen Büchern aus den verwunschenen Koffern, befragten
die Familienfotos, tauschten Anekdoten aus über Onkel, denen
Winde entfuhren, und Blinde, die wie ein Wasserstrahl aus der
Pappel fielen, sie fuhren vor die Stadt, um sich die Kordilleren
anzusehen und die Wolken zu zählen, sie verständigten sich in
einer erfundenen Sprache, in der das kastilische t getilgt und
durch n und das r durch l ersetzt werden, so daß sie redeten wie
der Chinese in der Wäscherei. Unterdessen wuchsen Jaime und
Nicolas getrennt vom weiblichen Binom heran, gemäß dem
Grundsatz jener Zeiten, »daß man sich zum Mann machen
muß«. Den Frauen hingegen war ihr Stand schon bei der Geburt
genetisch einverleibt, so daß sie es nicht nötig hatten, ihn durch
die Wechselfälle des Lebens erst zu erwerben. Die Zwillinge
wurden stark und brutal bei den Spielen, die ihrem Alter
angemessen waren: sie jagten Eidechsen, um ihnen die
Schwänze in Scheibchen zu schneiden, Mäuse, um Wettrennen
mit ihnen zu veranstalten, Schmetterlinge, um ihnen den Staub
von den Flügeln zu nehme n; später versetzten sie

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