Das Geisterhaus
Frau, die da neben ihm lag, nicht wirklich
zugegen war, sich vielmehr in einer unbekannten Region
aufhielt, die er niemals betreten würde. Manchmal verlor er die
Geduld. Dann schüttelte er Clara wütend und machte ihr die
schlimmsten Vorwürfe, um zuletzt, weinend und für seine
Brutalität um Verzeihung bittend, seinen Kopf in ihren Schoß zu
legen. Die maßlose Liebe zu Clara war zweifellos das stärkste
Gefühl im Leben Esteban Truchas, stärker selbst als sein
Jähzorn und sein Stolz, und noch ein halbes Jahrhundert später
verlangte er mit der gleichen Dringlichkeit und Bedürftigkeit
nach ihr, die er rief bis ans Ende seiner Tage.
Férulas Eingriffe verschlimmerten den Angstzustand, mit dem
sich Esteban herumschlug. Jedes Hindernis, das seine Schwester
zwischen ihm und Clara aufrichtete, brachte ihn außer sich. Er
haßte zuletzt seine eigenen Kinder, weil sie die Aufmerksamkeit
ihrer Mutter für sich beanspruchten. Er unternahm eine zweite
Hochzeitsreise mit Clara, um mit ihr dieselben Orte wie bei der
ersten aufzusuchen, an Wochenenden flüchteten sie in ein Hotel,
aber alles war vergebens. Er war überzeugt, daß Férula an allem
die Schuld trug: sie hatte seiner Frau den bösen Keim
eingepflanzt, der sie hinderte, ihn zu lieben, sie war es, die ihm
mit verbotenen Liebkosungen stahl, was ihm, dem Gatten,
gehörte. Er wurde fahl, wenn er Férula beim Baden Claras
überraschte, er riß ihr den Schwamm aus der Hand, setzte sie
unsanft vor die Tür und hob Clara auf seinen Armen aus dem
Wasser, er schimpfte sie aus, untersagte ihr, sich noch einmal
baden zu lassen, in ihrem Alter sei das ein Laster, und am Ende
war er selbst es, der sie abtrocknete, ihr den Bademantel anzog
und sie in dem Gefühl, sich lächerlich zu machen, ins Bett trug.
Wenn Férula seiner Frau eine Tasse Schokolade brachte, riß er
sie ihr aus der Hand unter dem Vorwand, sie behandle Clara wie
eine Invalidin; wenn sie ihr den Gutenachtkuß gab, stieß er sie
weg, das ewige Geküsse, sagte er, sei nicht gut; wenn sie ihr die
besten Stücke auf dem Tablett aussuchte, sprang er wütend vom
Tisch auf und verließ das Zimmer. Die Geschwister wurden zu
erklärten Rivalen, sie maßen sich mit Blicken, sie dachten sich
Spitzfindigkeiten aus, um sich in den Augen Claras gegenseitig
herabzusetzen, sie bespitzelten und überwachten sich. Esteban
ließ das Gut Gut sein, er übertrug Pedro Segundo García alles,
selbst die importierten Kühe, er ging nicht mehr mit seinen
Freunden aus, spielte nicht mehr Golf, hörte auf zu arbeiten, nur
um Tag und Nacht die Schritte seiner Schwester kontrollieren zu
können und ihr in den Weg zu treten, sooft sie zu Clara ging.
Die Atmosphäre im Haus wurde beklemmend dicht und düster,
selbst die Nana lief wie ein Gespenst herum. Die einzige, die
dem Geschehen unberührt gegenüberstand, war Clara, die in
ihrer Zerstreutheit oder ihrer Unschuld von allem nichts
bemerkte.
Es dauerte lange, bis der Haß zwischen Esteban und Férula
offen zum Ausbruch kam. Er begann als heimliches Unbehagen,
als ein Wunsch, sich in kleinen Dingen weh zu tun, und wuchs
an, bis er das ganze Haus erfüllte. In diesem Sommer mußte
Esteban auf die Drei Marien fahren, denn mitten in der Erntezeit
fiel Pedro Segundo García vom Pferd und wurde mit einem
Loch im Kopf ins Spital der Nonnen gebracht. Kaum hatte sich
der Verwalter erholt, kehrte Esteban, ohne sich anzumelden, in
die Stadt zurück. Im Zug hatte er ein schreckliches Vorgefühl
und den uneingestandenen Wunsch nach einer dramatischen
Wendung, ohne zu ahnen, daß das Drama bereits im Gange war,
als er es herbeiwünschte. Am Nachmittag kam er an, fuhr direkt
in den Club, spielte ein paar Partien Briska und aß zu Abend,
ohne daß seine Unruhe und seine Ungeduld nachließen, obwohl
er nicht wußte, was ihn erwartete. Während des Abendessens
gab es ein leichtes Erdbeben, die Kristallüster schwankten mit
dem üblichen Klirren, aber niemand sah auf, alle fuhren fort zu
essen, die Musiker spielten weiter, ohne eine Note auszulassen,
nur Esteban erschrak, als wäre das Beben ein Vorzeichen. Er aß
rasch zu Ende, zahlte und ging.
Férula hatte für gewöhnlich ihre Nerven unter Kontrolle, aber
an Erdbeben hatte sie sich nie gewöhnen können. Sie verlor die
Angst vor den Gespenstern, die Clara heraufbeschwor, und die
Furcht vor den Mäusen auf dem Land, aber Erdbeben fuhren ihr
in die Knochen und ängstigten sie noch lange,
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