Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
noch irgendwelche Kinder?«
»Da ist gar nichts bekannt. Aber ich denke nicht, denn die Gräfin überschrieb Tirol dem Habsburger Rudolf. Warum hätte sie das denn tun sollen, wenn sie eigene Kinder hatte? Vor genau 20 Jahren hat sie abgedankt und ist nach Wien gezogen. Von da an hörte man so gut wie nichts mehr von ihr. Ich hab sie nicht mehr gesehen, niemand hat sie mehr gesehen, obwohl sie in Wien wohnte.«
»Wo denn?«
»Rudolf hat ihr ein Wohnhaus ganz nahe dem Kloster der Minderen Brüder überlassen. Wenn du mich fragst, Alessandro, ein kleiner Ersatz für das große Tirol!« Ludwig lachte in sich hinein und fragte seinen jungen Freund: »Warum interessierst du dich denn dafür, mein Freund?«
»Ach«, meinte Sander scheinbar harmlos, »mein Oheim war einmal in ihren Diensten, und er hat mir oft von der hohen Frau erzählt.«
»Ja, da wird er wohl auf der Burg Neuhaus zwischen Bozen und Meran gewesen sein, da hat sich die Gräfin am liebsten aufgehalten, so sagt man wenigstens. Von dort ließ sie die Untertanen ihre Macht spüren, und die war, darf man den Berichten glauben, nicht gerade gering.«
Ganz dunkel stieg in Sander die Erinnerung hoch, zuerst wie ein Schatten, dann immer klarer. Eine trutzige Burg hoch über der Ortschaft Terlan, nicht enden wollende Mauern, Vorburgen, Zinnen, beeindruckend war es gewesen für ihn, den jungen Sander. Er war stolz, hier zu sein, wo die berühmte Margarete aus und ein ging, wo die Grafen von Tirol und Görz lebten. Wie überrascht er war, als sein Oheim immer unfreundlicher, immer nervöser wurde. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass Bernhard von Randegg damals mit dunklen Erinnerungen kämpfte wie Georg gegen den Drachen, dass er überwältigt sein musste von schlechten Erinnerungen. Jetzt im Rückblick erkannte er, wie beherrscht sein Oheim tatsächlich gewesen war, und er bekam eine Ahnung dessen, was ihn erwarten würde, wenn er es schaffte, das Geheimnis in Wien zu lüften. Ein unbestimmtes Zittern durchlief seinen Körper, er fröstelte und schloss unwillkürlich die Augen. Das hatte nichts mit harmlosem Einholen von Auskünften gemein, was er zu tun gedachte. Es wurde ihm schlagartig klar, dass er sich mit dem Erbe Bernhards von Randegg mitten hinein in den schwelenden Machtkampf zwischen den Habsburgern, Luxemburgern und Bayern begeben würde. Er musste sich hüten, zu viel und zu offensichtlich vorzugehen, und er musste sich vorsehen, denn wem konnte er wirklich trauen? Daher schien ihm die nächste Frage Ludwigs bereits verdächtig.
»Wie ich höre Alessandro, hast du dich ja im Chioggia Krieg wacker geschlagen!«
»Ja, es ging so«, antwortete Sander ausweichend und überlegte, ob er der Familie Fütterer wirklich trauen konnte, ob die freundschaftlichen Beziehungen hielten, was sie versprachen, oder ob ihm Ludwig eher als Aufpasser mitgegeben wurde, der genau darüber Buch führte, wie weit seine Nachforschungen erfolgreich waren. Alles war auf einmal sehr unsicher geworden, und Sander fühlte sich jetzt mitten im goldenen Herbst, als wenn er im Winter auf unsicherem Eis einen Schritt vor den anderen setzen müsste.
»Was heißt, es ging so, mein Junge«, polterte Ludwig, »ich habe gehört, dass du eine hohe Auszeichnung von Herzog Leopold bekommen hast. Letztendlich hat er es ja Männern wie dir zu verdanken, dass er nun die Oberhoheit über Triest hat!«
»Nun, die Stadt hat sich freiwillig unter den Schutz der Habsburger gestellt«, meinte Sander vorsichtig.
»Du bist zu bescheiden, Alessandro. Deine Fähigkeiten juristischer Natur wirst du aber jetzt nicht auch noch unter den Scheffel stellen, oder?« Ludwig zwinkerte Sander zu und dachte, dass der Bursche ja doch ganz in Ordnung war. Aus sicherer Quelle wusste er, dass sich der junge Randegg im Schlachtfeld tapfer geschlagen hatte und sich an der Seite Aquileias, Ungarns, Paduas und der Habsburger gegen Mailand, Zypern und Venedig gestellt hatte. Gleichsam als Vergeltung bekam der junge Mann von Herzog Leopold, dem Bruder Albrechts mit dem Zopf, einen hohen Posten im Kreise der Rechtsgelehrten. Er war einer der Jüngsten, der sich mit der Neufassung der städtischen Statuten für die Stadt Triest beschäftigen durfte. Wenn er es geschickt anstellte und nicht zwischen die Fronten der Habsburgerbrüder Leopold und Albrecht geriet, war er ein Mann mit glänzenden Aussichten. Schade, dachte Ludwig, dass ich keine heiratsfähige Tochter, sondern drei Söhne habe, ich könnte mir keinen besseren
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