Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Jammer sattgesehen hatte und sich weiter den Speisen, den Getränken und anderen Lustbarkeiten zuwandte, so wie ein Schmetterling von einer Blume zu anderen gaukelt, so wurde ihm ein wenig besser. Langsam begann er wieder Luft zu bekommen, allmählich wurde er ruhiger. Aufatmend wollte er sich wieder verstecken und unsichtbar werden, da spürte er zwei Augen auf sich gerichtet. Wie zwei Pfeilspitzen bohrten sie sich in sein Gesicht, das noch immer etwas verzerrt und mit einem feinen Schweißfilm überzogen war. Er erschrak fürchterlich, als er der Blicke gewahr wurde, und sprang zwei Schritte zurück, als er den Funken des Erkennens in den Augen des anderen spürte. So schnell er konnte, verließ er das Haus des Bürgermeisters.
»Auf einen Schluck, lieber Graf, Sie sehen aus, als wäre Ihnen der Leibhaftige persönlich erschienen«, lachte der Passauer Bischof, tätschelte seinem Freund Ulrich von Schaunberg die Schulter und reichte ihm einen Becher Wein, den dieser auf einen Zug leerte. Nur wer ganz genau hinsah – und das vermied tunlichst jeder, der Bekanntschaft mit dem Grafen gemacht hatte – sah das Zittern seiner sonst so ruhigen Hände.
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3 Macht schnell, ihr Zeitverschwender! Die Zeit drängt, wir haben nicht alle Zeit der Welt, oder so
4 Wollt ihr heute noch das Tor der Stadt erreichen, dann müsst ihr euch aber sputen!
5 Fahren wir doch endlich nach Hause!
6 Es ist in Ordnung, Ferdinand, die restliche Arbeit verrichten die büßenden Frauen!
7 Wie schön dich zu sehen Barthel, ich habe mit deiner Ankunft fast gar nicht mehr gerechnet!
8 Es ist ein weiter Weg vom Weinort Grinzing bis hierher in die Singerstraße. Wenn ihr Büßerinnen einen Weinberg am Stephansplatz hättet, dann würde ich freilich viel schneller sein!
9 Was für ein Unsinn! Bei einem Geschenk darf man doch nicht wählerisch sein!
10 Warum bist du denn so schlechter Laune?
11 Wenn ich nur daran denke, dass ihr Frauen aus diesem süßen Nektar nichts als nur einen sauren Tropfen herstellt, dann wird mir ganz schwer ums Herz! Diese entbehrungsreiche Arbeit nur wegen einem sauren Gebräu!
12 Damit ernähre ich die freien Töchter und deren Nachkommen, die sie von euch Männern empfangen haben!
13 Aber folge mir nur, du Dummkopf. Mit dir kann man heute kein Streitgespräch führen, weil du von der Arbeit schon zu beansprucht worden bist!
14 Blöde Ziege
15 Er ist wohl ein wenig schwach, der Alexander?
16 Er scheint schüchtern zu sein und richtet sein Wort nicht gern an andere.
17 Du hast ein Einsehen, Alexander, so werden wir gut miteinander auskommen!
18 Meine Freude ist grenzenlos, weil dir mein Wein gar so mundet
19 Entgegen Eurer Vermutung war der Ermordete kein Pater des Ordens der Minoriten sondern schlicht und einfach ein Betrüger!
20 Ein braunes Ordenskleid, so ein Unsinn! Ihr könnt mich dort treffen, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, Ihr Besserwisser!
21 »Aber nein. Sie haben mich in der Taverne zum süßen Loch dermaßen zusammengeschlagen, weil ich mich erdreistete, Erkundigungen nach dem hochwohlgeborenen Hofmeister Fichtenstein einzuziehen.«
Es war noch dunkel in den Straßen und Gassen Wiens und es würde noch lang dauern, bis das erste Tageslicht diesen Herbsttag erhellte. So früh am Morgen, nach dem Fest der Heiligen Katharina, schlief ein Teil der Wiener seinen Rausch aus, während der zweite Teil gerade erst seinen Brummschädel auf ein Kissen gebettet und ins Land der Träume geglitten war. Umso ungewöhnlicher war die behäbige, schon etwas in die Jahre gekommene Frau anzusehen, die sich hinkend auf das Widmertor zubewegte. Sie war um diese Tageszeit die Einzige, die aus der Stadt heraus wollte, diejenigen, die hinein wollten, waren bei Weitem zahlreicher. Denn jeden Morgen eroberten die Marktfahrer die Stadt. Und so kam es, dass das alte Weib an Gemüsekarren vorbeihumpelte, sich um Leiterwagen voll mit Geflügel herumdrücken musste, einem großen Metzgerwagen, der mit Schweinehälften beladen war, auswich, und so alles in allem noch ramponierter als zuvor und ziemlich außer Atem am Stadtgraben vorbei durch die hölzernen Palisaden endlich in der Laimgruben angekommen war. Doch die Frau hielt sich nicht lang auf, verschnaufte nur kurz und hinkte weiter den Wienfluss entlang. Anscheinend kannte sie sich gut aus, denn für jemanden, der nicht ortskundig war, musste der Pfad im Stockdunkeln doch eine gewisse Herausforderung bedeuten. Die letzte Strecke zu einem windschiefen
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