Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Fast lautlos schlich er hinter ihr her, zog die enge schwarze Lederhaube über den Kopf, wickelte sich den Ledergurt um den Arm, packte die scharfe Klinge in die freie Hand, um gleichzeitig das Federspiel aus der Falknertasche zu ziehen. Blitzschnell hatte er alles, was er zu seinem Vorhaben brauchte, zu oft hatte er die Handgriffe geübt. Mit ein paar großen Schritten war er genau hinter ihr. Kurz drehte sich die Dirne um, in ihrem Blick lag Überraschung, dann Entsetzen und schließlich Panik. Aber schon surrte die Lederschnur um ihren Hals, machte das Atmen unmöglich, ließ sie den Mund aufreißen, zu einem Schrei ansetzen, der jedoch nie ihre Kehle verließ. Mit voller Wucht wurde sie zu Boden geschleudert, Krallen gleich bohrte sich etwas Kaltes, Metallisches in ihren Rücken, traf sie ein brennender Blitz am Hinterkopf. Inmitten des machtvollen Schmerzes dachte sie verwundert an den eigenartigen, ungewohnten Geruch, der sie umgab. Dann war ihr, als würde sie in ein großes, unendlich tiefes schwarzes Nichts fallen, und schon mehr tot als lebendig sank sie an den Rand der Gosse. Mit einem Mal brach das Mondlicht durch die Wolken und malte gespenstige Schatten auf die gekrümmte Gestalt.
Langsam zog er seinen braunen Lederhandschuh aus, trennte mit einer der Klingen das Federspiel vom Lederband, das sich fest in die Haut des Opfers geschnitten hatte. Mit einem Ruck zog er sich die Lederhaube vom Kopf und starrte in das Gesicht der Frau, das verschwollen und bläulich im fahlen Licht schimmerte. Lächelnd gab er der leise Wimmernden einen Stoß. Bedächtig räumte er Federspiel, Handschuh und Haube in seine Tasche. Ganz ohne Eile. Er würde es wieder brauchen, er wusste nicht wann, aber es würde da sein, wann immer es soweit sein sollte.
Er würde auf den Augenblick warten, bis er sich wieder von der Fessel lösen konnte, höher und höher steigen. Da hörte er ein Geräusch. Ein zeternder Laut und lautes Gelächter durchschnitten die kalte Luft. Sofort starrte er in die jetzt mondhelle Nacht, blitzschnell drehte er seinen Kopf, fixierten seine starren Augen noch einmal das Opfer. Mit einem sachten Laut drehte er sich auf die andere Seite, hob seine Arme, wie wenn er fliegen wollte und lief, so schnell ihn seine Beine trugen, davon.
»Jetzt hör doch auf, hast du immer noch nicht genug«, mit leicht gereiztem Unterton versuchte die Dirne, ihren stockbetrunkenen Freier auf Abstand zu halten.
»Aber nein«, lallte dieser und hängte sich mit seinem ganzen Gewicht an den Unterarm der Frau, die strauchelte und sich eben noch auf den Beinen halten konnte.
»Jetzt langt es aber.« Gerade als sie sich mit einem scharfen Ruck befreien wollte, stieß ihr Fuß an ein Fetzenbündel am Straßenrand.
»Was ist denn das«, meinte sie erstaunt und bückte sich, um im nächsten Moment schreiend in die Höhe zu fahren.
»Was denn, Mädel, was denn?«, lallte ihr Begleiter.
»Da liegt wer«, flüsterte sie.
»Hat halt auch zu viel erwischt!«
»Nein, schau«, zaghaft zerrte sie an dem Bündel und schrak erneut zurück.
»Mein Gott«, erschrocken fuhr sich die Frau mit der Hand an den Mund. »Mein Gott, die kenn ich …«
Weinend kauerte sie sich neben die Sterbende und fuhr sich verzweifelt mit der Hand über ihr eigenes Gesicht. Fast zärtlich streichelte sie dann mit derselben Hand die blaugefärbte Wange der Verletzten, und mit der anderen Hand berührte sie sanft das kleine Glöckchen am Gürtel der Frau. Zu oft hatte sie schon diesen Gesichtsausdruck gesehen, ja oft genug, um zu wissen, dass für ihre Freundin jede Hilfe zu spät kam.
»Was haben wir immer geschmunzelt über dein kleines Glöckchen, was haben wir gelacht zusammen und geweint, vor allem geweint …«
Noch einmal bäumte sich die Geschundene auf, starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Nacht, bis sie leblos zurücksank und ihre Freundin schluchzend zurückließ.
Nach einiger Zeit, als der betrunkene Freier schon längst heimgetorkelt war, erhob sich die Dirne und stolperte in die Nacht hinaus. Tränenblind und aufgewühlt, wie sie war, konnte sie die schlanke Gestalt, die sich aus dem Schatten der Hauswand löste, nicht sehen. Die Dirne lief so schnell, dass sie auch den durchdringenden und markerschütternden Schrei nicht mehr hörte, den die Gestalt ausstieß, als sie sich mit ihrem Körper über die Leiche der Frau in der Gosse warf.
*
»Jetzt vertragt euch wieder, Burschen!« Schmunzelnd fasste Bernhard die beiden Streithähne am
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