Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Angeln habt. Für heute gibt es schon Zwiebel mit Kohl.«
Johannas sich rötende Wangen zeigten bereits den Beginn eines nahenden Wutanfalles.
»Das mein i net«, grummelte Barthel.
»Was denn?«, fauchte Johanna.
»Das mit dem da …«
»Was?«
»Na das da!« Angewidert rümpfte der Hauerknecht die Nase und zeigte auf den Krug.
»Essig ist das, Barthel. Weinessig, wenn du es genau wissen willst, der beste in Wien.« Stolz deutete Johanna auf die gelblich klare Flüssigkeit, die jetzt die Fischstücke bedeckte.
»Hättest ihn als Wein lassen sollen. Ewig schad um die Arbeit.«
Gleich einem Milchtopf, der schaumig übergeht, fuhr Johanna Barthel mit solcher Kraft an, dass eine Strähne seiner schütteren Haare nach hinten flatterte und ihm dann wieder in die Stirn fiel.
»Ich sag’s dir immer wieder. Aus den Weintrauben des Klosters Hieronymus wird Essig. Basta. Kein Wein, den Mannsbilder wie ihr versaufen und der euch noch blöder und lüsterner macht, als ihr Dreckskerle sowieso schon seid! Verstanden?«
»Wofür brauchst denn dieses stinkende, beißende Zeug?« Barthel wagte einen Einwand, schützte aber vorsichtshalber sein Gesicht mit den Unterarmen, denn wenn seine Hannerl ihn dermaßen anschrie, dann war auch mit einer ausgewachsenen Watschn zu rechnen.
»Ich brauch’s, dass wir im Winter was zum Essen haben, dass wir die Ernte einlagern, du Depp. Du brauchst es zum Saufen und mit dir ganz Wien. Aber mich geniert’s nicht, was für die Kinder und Frauen zu tun. Den Männern den Alkohol wegzunehmen, ist ein gutes Werk, das kannst du mir glauben, und ihnen stattdessen vollere Bäuche zu bescheren, ist noch was viel Besseres.« Damit stellte sie den Krug ab, deckte den Steinguttopf mit einem Stück Stoff ab, wickelte eine Hanfschnur herum und deutete Yrmel, alles in die Vorratskammer zu stellen.
Barthels Gesicht spiegelte unterdrückte Wut, und da er nicht wusste, wie er Johanna beikommen sollte, ließ er seinen Ärger an Krispin aus, der die ganze Szene aus sicherer Entfernung mit sehr gemischten Gefühlen beobachtet hatte.
»Was haltst du hier Maulaffen feil? Wir müssen in den Weinberg, die Triebe gehören aufgebunden, dass Weiber wie die da«, damit zeigte er auf Johanna, die ihm längst den Rücken zugekehrt hatte und wieder im Haferbrei rührte, »aus unseren süßen Trauben saures Gebräu machen können!« Damit stieß er den verdatterten Krispin Richtung Tür, und dieser wäre fast mit der alten Barbel zusammengestoßen, die gerade aufgeregt in die Klosterküche stürzte und voll auf den Hauerknecht prallte.
»Ja um Gottes Himmels willen, da ist net der Gemüsemarkt, wo jeder hin- und herrennt. Das da ist eine Klosterküche in Dreifaltigkeitsnamen.«
Damit sah Johanna das alte verhutzelte Kräuterweib scharf an.
»Was kommst überhaupt erst heut und dann auch noch so früh am Morgen, wo ich sowieso schon so viel zu tun hab! Gestern hätt ich dich braucht. Mir sind die Senfkörner ausgangen, und eben hab ich den letzten Petersil verwendet. Meiner ist noch nicht so weit heraußen und …«
»Wennst mich ausreden lasst, Hannerl, dann kann ich dir vielleicht sagen, was wichtig ist. Dann kann ich dich warnen, was passieren wird, nämlich gleich und bald …«
»Pass auf, Barbel, ich hab heute keinen Nerv für dein abergläubisches Zeug, das kannst dir gleich hinter deine dreckigen Ohren schreiben.« Damit zeigte Johanna mitten in das derbe, von Dreck und Runzeln verunstaltete Gesicht der Alten. Ganz Wien kannte Barbel das Kräuterweibel. Niemand kannte ihr wahres Alter, niemand wusste, woher sie kam und wohin sie sich schlafen legte. Doch jeder kannte ihre Schauergeschichten. Ob man wollte oder nicht, die Barbel sagte einem die Zukunft voraus. Sie konnte am Flug der Schwalben ablesen, ob der Bürgersfrau heute der Mann weglief, am Grunzen der Schweine erkennen, ob das Kind der Bauersfrau ein Knabe oder ein Mädchen werden würde, oder am besonders penetranten Geruch der Urinale die Schneehöhe des nahenden Winters voraussagen. Kurz und gut, die Barbel kannte sich aus. In allem und in jedem. Keiner glaubte ihren Weissagungen, doch alle fürchteten sie, denn vielleicht, ja vielleicht hatte die Barbel doch einmal recht. Diese sehr tiefsitzende Unsicherheit der Wiener ließ sich das alte Kräuterweibel gut bezahlen, denn für jede ihrer Weissagungen hatte sie ein passendes Amulett dabei. Die Taschen ihrer speckigen Schürze beulten sich regelrecht nach außen, um all die Wunderdinge zu
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