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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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geschickt wie ein Etappengeneral, und es endete immer damit, daß er die imaginären Gegenparteien in triumphaler Weise schlug, denn er rühmte sich, in Fragen der Prämien-79 und Reportgeschäfte ein Fachmann geworden zu sein. Unruhig erklärte ihm seine Frau, sie wolle sich lieber gleich ertränken, als mit ansehen zu müssen, wie er auch nur einen Sou aufs Spiel setzte; aber er beruhigte sie. Für wen hielt sie ihn denn? Nie im Leben! Dennoch bot sich eine Gelegenheit, alle beide waren seit langem wie verrückt darauf gewesen, in ihrem Garten ein kleines Gewächshaus für fünf- oder sechstausend Francs bauen zu lassen; und eines Abends legte er seiner Frau mit zitternden Händen glückstrahlend die sechs Geldscheine auf den Nähtisch, die er an der Börse gewonnen hatte: ein Coup, bei dem er ganz sicher gewesen sei, eine Ausschweifung, die nicht noch einmal zu begehen er sich fest vorgenommen und die er einzig und allein wegen des Gewächshauses gewagt habe. Seine Frau, zwischen Zorn und heftiger Freude hin und her gerissen, wagte ihn nicht zu schelten. Im nächsten Monat stürzte er sich in ein Prämiengeschäft und erklärte ihr, daß er nichts zu befürchten habe, da er seinen Verlust begrenze. Aber zum Teufel, es gab in dem Haufen auch gute Geschäfte, er wäre schön dumm, die fetten Brocken für den Nachbarn zu lassen. Und zwangsläufig hatte er begonnen, in Termingeschäften zu spekulieren, zunächst mit kleinen Beträgen, dann wurde er nach und nach kühner; seine Frau indessen, von den Ängsten einer guten Hausfrau beunruhigt, wiewohl der kleinste Gewinn ihre Augen leuchten ließ, prophezeite ihm weiterhin, er werde noch einmal am Bettelstab enden.
    Vor allem Hauptmann Chave, der Bruder von Frau Maugendre, tadelte seinen Schwager. Er, der mit seinen tausendachthundert Francs Pension nicht auskommen konnte, spekulierte zwar selber an der Börse, nur stellte er es pfiffig an: er ging dorthin, wie ein Angestellter in sein Büro geht, tätigte nur Kassageschäfte80 und war entzückt, wenn er am Abend sein Zwanzigfrancsstück nach Hause trug. Das waren Tag für Tag todsichere Geschäfte von einer solchen Bescheidenheit, daß sie den Katastrophen entgingen. Seine Schwester hatte ihm in ihrem Haus, das seit Marcelles Heirat zu groß geworden war, ein Zimmer angeboten; aber er hatte abgelehnt, denn weil er Laster hatte, lag ihm daran, unabhängig zu sein, und so bewohnte er hinten in einem Garten in der Rue Nollet ein einziges Zimmer, in das man fortwährend Weiberröcke schlüpfen sah. Seine Gewinne mußte er wohl in Bonbons und Kuchen für seine kleinen Freundinnen umsetzen. Immer hatte er Maugendre gewarnt und ihm wiederholt, er solle nicht spekulieren, sondern lieber das Leben genießen. Wenn Maugendre ihn fragte: »Und Sie?«, wehrte er energisch ab: oh, das sei etwas anderes, er habe schließlich keine fünfzehntausend Francs Jahreszinsen! Wenn er spekuliere, so sei diese dreckige Regierung daran schuld, die den alten Haudegen die Freude ihres Alters streitig machte. Sein Hauptargument gegen das Börsenspiel war, daß der Spekulant sich an den zehn Fingern abzählen könne, daß er immer verliert: gewinnt er, so hat er die Courtage81 und die Stempelgebühr abzuführen; verliert er, muß er zusätzlich dieselben Gebühren entrichten, so daß er, selbst wenn man annimmt, daß er ebensooft gewinnt wie verliert, die Stempelgebühr und die Courtage immer noch aus der eigenen Tasche bezahlt Jährlich erbringen diese Gebühren an der Pariser Börse den ungeheuren Gesamtbetrag von achtzig Millionen. Und er nannte triumphierend diese Zahl, achtzig Millionen, die der Staat, die Kulissenmakler und die Wechselmakler einkassieren!
    Auf der Bank am Ende des Flurs beichtete Marcelle ihrem Mann einen Teil dieser Geschichte.
    »Liebling, ich muß dir sagen, daß ich ungelegen kam. Mama machte Papa eine Szene wegen eines Verlustes, den er an der Börse erlitten hat … Ja, wie es scheint, kommt er da nicht mehr heraus; das mutet so komisch an, er, der früher nur die Arbeit gelten ließ … Kurz und gut, sie stritten sich, und da lag eine Zeitung, ›La Cote Financière‹, die ihm Mama unter die Nase hielt; er verstehe nichts davon, schrie sie ihn an, und sie habe die Baisse sehr wohl kommen sehen. Darauf hat er eine andere Zeitung geholt, ausgerechnet ›LʼEspérance‹, und wollte ihr den Artikel zeigen, aus dem er seinen Tip hatte … Stell dir vor, bei ihnen liegt alles voll Zeitungen, von früh bis spät sind sie

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