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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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durch eine heute verschlossene Tür mit dem Ankleideraum verbunden gewesen, den Schlüssel hatte man in ein Schubfach geworfen, und so brauchte sie ihn nur dort herauszunehmen und wieder aufzuschließen. Auf diese Weise konnte man jetzt dank dieser vergessenen und vermeintlich zugesperrten Tür geräuschlos in den Ankleideraum eindringen, der vom Zimmer selbst nur durch eine Portiere getrennt war. Sicherlich erwartete die gnädige Frau von dieser Seite her niemand.
    »Der gnädige Herr können sich mir ganz anvertrauen. Ich bin doch auch am Gelingen interessiert, nicht wahr?«
    Sie glitt durch die halboffene Tür, verschwand für einen Augenblick und ließ Delcambre allein in ihrem engen Dienstmädchenzimmer mit dem ungemachten Bett und der Waschschüssel voll Seifenwasser; schon am Morgen hatte sie ihren Koffer weggeschafft, um zu flitzen, sobald der Streich vollbracht war. Dann kam sie zurück und schloß sachte die Tür hinter sich.
    »Der gnädige Herr müssen ein bißchen warten. Es ist noch nicht soweit. Sie plaudern erst noch.«
    Delcambre sagte kein Wort; voll Würde stand er da, reglos unter den leicht spöttischen Blicken dieses Mädchens, das ihn von oben bis unten musterte. Schließlich wurde er es müde, ein nervöses Zucken verzog seine ganze linke Gesichtshälfte in der verhaltenen Wut, die ihm zu Kopfe stieg. Das wütende Mannsstück mit den Begierden eines Menschenfressers, das sich in ihm hinter der eisigen Strenge seiner beruflichen Maske verbarg, begann dumpf zu grollen, vor Zorn, daß man ihm dieses Fleisch stahl.
    »Schnell, schnell«, wiederholte er mit fieberheißen Händen, ohne zu wissen, was er sagte.
    Aber Clarisse, die erneut verschwunden war, kam mit einem Finger auf den Lippen zurück und flehte ihn an, sich noch zu gedulden.
    »Ich bitte Sie, gnädiger Herr, seien Sie vernünftig, sonst verpassen Sie das Beste … Einen Augenblick noch, dann sind sie richtig in Fahrt.«
    Und Delcambre, dem plötzlich die Beine versagten, mußte sich auf das kleine Dienstmädchenbett setzen. Die Nacht brach herein, er blieb im Dunkeln sitzen, während die Zofe auf der Lauer lag und keines der leisen Geräusche verpaßte, die aus dem Zimmer kamen und die ihm verzehnfacht in den Ohren klangen wie der Marschtritt einer ganzen Armee.
    Endlich fühlte er, wie die Hand von Clarisse an seinem Arm entlangtastete. Er verstand und gab ihr wortlos einen Umschlag, in den er die versprochenen zweihundert Francs gesteckt hatte. Und sie ging voran, gab die Tür zum Ankleideraum frei, schob ihn ins Zimmer und sagte:
    »Sehen Sie, da sind die beiden!«
    Vor dem großen Feuer mit den glühenden Kohlen lag Saccard mit dem Rücken auf der Chaiselongue; er hatte nur sein Hemd anbehalten, das sich zusammengerollt hatte und ihm bis zu den Achseln hochgerutscht war, so daß von den Füßen bis zu den Schultern seine braune, mit den Jahren dicht behaarte Haut entblößt war. Die Baronin kniete splitternackt vor ihm und war ganz rosig von den Flammen, die sie brieten; im hellen Schein der beiden großen Lampen wurden die geringsten Einzelheiten durch die Schattenwirkung noch deutlicher hervorgehoben.
    Zornerfüllt über diesen skandalösen, flagranten Frevel war Delcambre mit offenem Mund stehengeblieben, während die beiden anderen wie vom Blitz getroffen waren, als sie diesen Mann durch den Ankleideraum eintreten sahen; mit weit aufgerissenen Augen starrten sie ihn wie irre an und rührten sich nicht vom Fleck.
    »Oh, ihr Schweine!« stammelte endlich der Generalstaatsanwalt. »Ihr Schweine! Ihr Schweine!«
    Er fand nur dieses Wort, er wiederholte es unaufhörlich und begleitete es jedesmal mit der gleichen ruckartigen Gebärde, um ihm mehr Nachdruck zu verleihen. Diesmal hatte sich die Frau mit einem Satz erhoben; erschrocken über ihre Nacktheit, drehte sie sich im Kreis und suchte ihre Kleider, die sie im Ankleideraum hatte liegenlassen, wohin ihr der Weg versperrt war; sie bekam nur einen weißen Unterrock zu fassen, der da herumlag, bedeckte sich damit die Schultern und hielt die beiden Enden des Rockbundes mit den Zähnen fest, um sich den Hals und die Brust zu verhüllen. Auch der Mann war von der Chaiselongue aufgestanden und zog sich mit ärgerlicher Miene das Hemd herunter.
    »Ihr Schweine!« wiederholte Delcambre noch einmal. »Ihr Schweine! In diesem Zimmer, das ich bezahle!«
    Er zeigte Saccard die Faust und geriet immer mehr außer sich; bei dem Gedanken, daß sich dieses schamlose Treiben auf einem Möbelstück

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