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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sich rühmte, im Winter nicht heizen zu müssen. Ihr war, als wäre sie verjüngt und gekräftigt einem eisigen Bade entstiegen, ihr Puls ging ganz ruhig. An Tagen, an denen sie sich richtig gesund fühlte, hatte sie morgens beim Aufstehen die gleiche Empfindung. Dann kam ihr der Gedanke, ein Scheit Holz im Kamin nachzulegen; und als sie sah, daß das Feuer erloschen war, wollte sie es selbst wieder anzünden, ohne nach dem Diener zu läuten. Das war ein hübsches Stück Arbeit, sie hatte keine Späne, doch es gelang ihr, die Scheite einfach nur mit alten Zeitungen in Brand zu setzen. Sie kniete vor der Feuerstelle und mußte darüber lachen. Glücklich und verwundert verweilte sie so eine Weile. Wieder war eine ihrer großen Krisen vorüber, sie hoffte erneut, nur worauf? Sie wußte es immer noch nicht, auf das ewig Unbekannte, das am Ende des Lebens, am Ende der Menschheit steht. Es mußte genügen zu leben, damit das Leben immer wieder die Wunden heilte, die es schlug. Einmal mehr erinnerte sie sich an die Katastrophen in ihrem Dasein, an ihre entsetzliche Ehe, an ihr Elend in Paris, an den einzigen Mann, den sie geliebt und der sie im Stich gelassen hatte; aber bei jedem neuen Zusammenbruch hatte sie zu der zähen Energie, zu der unsterblichen Freude zurückgefunden, die sie inmitten der Trümmer wieder auf die Beine brachte. War nicht wieder alles zusammengestürzt? Wenn sie vor ihrem Geliebten wegen seiner schrecklichen Vergangenheit keine Achtung mehr haben konnte, so erging es ihr wie frommen Frauen vor unreinen Wunden, die sie morgens und abends verbinden, ohne Hoffnung, daß sie je vernarben. Sie würde ihm weiter gehören, obwohl sie ihn bei anderen Frauen wußte, und nicht einmal versuchen, ihnen den Geliebten streitig zu machen. Sie würde in einem feurigen Ofen leben, in der keuchenden Schmiede der Spekulation, unter der ständigen Drohung einer letzten Katastrophe, bei der ihr Bruder seine Ehre und sein Blut lassen konnte. Und sie hielt sich trotzdem aufrecht, beinahe unbekümmert, so wie am Morgen eines schönen Tages; sie kostete es aus, der Gefahr mit frohem Kampfesmut zu trotzen. Warum? Es gab keinen vernünftigen Grund, sondern nur die Freude am Dasein! Ihr Bruder hat es ihr oft gesagt, sie war die unbesiegbare Hoffnung.
    Als Saccard nach Hause kam, sah er, wie Frau Caroline, in ihre Arbeit vertieft, mit ihrer sicheren Schrift eine Seite des Memorandums über die Orient- Eisenbahnen vollendete. Sie hob den Kopf und lächelte ihn friedfertig an, während er ihr schönes, strahlend weißes Haar mit den Lippen streifte.
    »Sie sind viel herumgelaufen, mein Freund?«
    »Oh, es will kein Ende nehmen mit den Geschäften! Ich war beim Minister für öffentliche Arbeiten, am Schluß habe ich Huret getroffen, dann mußte ich noch einmal zum Minister, dort war aber nur noch ein Sekretär da … Jedenfalls habe ich die Zusage für dort unten.«
    Seitdem er die Baronin Sandorff verlassen hatte, war er in der Tat nicht mehr zur Ruhe gekommen und mit gewohntem Feuereifer ganz in den Geschäften aufgegangen. Sie übergab ihm Hamelins Brief, der ihn entzückte, und sie sah ihn über den nahe bevorstehenden Triumph frohlocken; von nun an, sagte sie sich, würde sie ihn aus der Nähe überwachen, um die zu erwartenden Torheiten zu verhindern. Doch sie brachte es nicht fertig, streng mit ihm zu sein.
    »Ihr Sohn war hier und wollte Sie im Namen von Madame de Jeumont einladen.«
    Erstaunt rief er aus:
    »Aber sie hat mir doch geschrieben … Ich habe ganz vergessen, Ihnen zu sagen, daß ich heute abend zu ihr gehe … Wie mir das ungelegen kommt, wo ich doch so müde bin!«
    Und er ging fort, nachdem er ihr noch einen Kuß auf das weiße Haar gedrückt hatte. Sie machte sich mit ihrem freundschaftlich nachsichtigen Lächeln wieder an ihre Arbeit. War sie nicht bloß eine Freundin, die sich hingab? Sie schämte sich so ihrer Eifersucht, als hätte sie dadurch ihr Verhältnis noch mehr beschmutzt. Sie wollte über die Angst vor der Teilung erhaben sein, vom fleischlichen Egoismus der Liebe gelöst. Ihm zu gehören, ihn bei anderen Frauen zu wissen, das hatte keine Bedeutung. Sie liebte ihn dennoch mit ihrem ganzen tapferen, gütigen Herzen. Es war ein Triumph der Liebe, wie eine so anbetungswürdige Frau diesen Saccard, diesen Räuber aus dem Börsenviertel, so bedingungslos liebte, weil sie sah, daß er unermüdlich, mutig eine Welt erschuf und Leben zeugte.

Achtes Kapitel
    Am 1. April wurde die Weltausstellung von

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