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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Das kann kein anderes Ende nehmen mit diesem fürchterlichen Aufrüsten. Deutschland will uns nicht die Zeit lassen, die neue Militärvorlage100 durchzubringen, über die die Kammer abstimmen soll … Und übrigens, Bismarck …«
    Pillerault lachte laut auf.
    »Lassen Sie mich doch mit Ihrem Bismarck in Ruhe! So, wie ich jetzt mit Ihnen spreche, habe ich mich diesen Sommer fünf Minuten mit ihm unterhalten, als er hier war. Er sieht so gutmütig aus … Wenn Sie nach dem überwältigenden Erfolg der Weltausstellung nicht zufrieden sind, was wollen Sie dann überhaupt? Ganz Europa gehört uns, mein Bester!«
    Moser schüttelte verzweifelt den Kopf. Jeden Augenblick vom Gedränge der Menge unterbrochen, gab er weiter seinen Befürchtungen Ausdruck. Der Markt sei überhitzt, und diese übertriebene Prosperität sei ebenso von Schaden wie das ungesunde Fett bei allzu dicken Leuten. Durch die Weltausstellung seien zu viele Unternehmungen aus dem Boden geschossen, man habe jedes Maß verloren und das Börsenspiel zum hellen Wahnsinn werden lassen. War es nicht Wahnwitz, wenn zum Beispiel die Universelle-Aktien auf dreitausenddreißig stünden?
    »Ah, da haben wirʼs!« rief Pillerault.
    Er beugte sich zu Moser und sagte, jede Silbe betonend:
    »Heute abend, mein Bester, schließen wir mit dreitausendsechzig … Ihr werdet alle ruiniert sein, das sage ich Ihnen.«
    Der Baissier, obschon leicht zu beeindrucken, pfiff leise und herausfordernd vor sich hin. Und er schaute in die Luft, um seine erheuchelte Seelenruhe zu bekunden; er musterte einen Augenblick die wenigen Frauenköpfe oben auf der Telegrafengalerie, die sich herabbeugten und über das Schauspiel in diesem Saal, den sie nicht betreten durften, verwundert waren. Wappenschilde trugen Namen von Städten, und die Kapitelle und die Kranzgesimse zogen sich in einer langen, verblichenen Perspektive hin, auf die das eindringende Wasser gelbe Flecken gemalt hatte.
    »Ach, da sind Sie ja!« sagte Moser, als er, wieder geradeaus blickend, Salmon erkannte, der mit seinem ewigen tiefgründigen Lächeln vor ihm stand.
    Und da ihm dieses Lächeln Pilleraults Auskünfte zu bestätigen schien, setzte er verwirrt hinzu:
    »Wenn Sie etwas wissen, sagen Sie es doch … Meine Überlegung ist einfach. Ich setze auf Gundermann, weil Gundermann, nicht wahr, eben Gundermann ist … Mit ihm nimmt das immer ein gutes Ende.«
    »Und wer sagt Ihnen, daß Gundermann auf Baisse spekuliert?« höhnte Pillerault.
    Moser riß verstört die Augen auf. Seit langem wurde an der Börse getuschelt, Gundermann belaure Saccard, er fordere die Baisse gegen die Universelle und wolle die Bank durch plötzliches Zupacken an irgendeinem Ultimo abwürgen, sobald erst die Zeit gekommen wäre, den Markt unter seinen Millionen zu zermalmen; und dieser Tag ließ sich ja nur deshalb so heiß an, weil alle glaubten und wiederholten, daß die Schlacht heute geschlagen werden sollte, eine jener gnadenlosen Schlachten, wo eine der beiden Armeen vernichtet auf der Strecke bleibt. Aber war man jemals sicher in dieser Welt der Lüge und der List? Was todsicher schien und am lautesten im voraus verkündet wurde, konnte beim geringsten Hauch zum Gegenstand ängstlichen Zweifels werden.
    »Sie leugnen, was klar auf der Hand liegt«, murmelte Moser. »Natürlich habe ich nicht die Orders gesehen, und man kann nichts behaupten … Na, Salmon, was sagen Sie dazu? Gundermann kann doch nicht lockerlassen, zum Teufel!«
    Und er wußte nicht mehr, was er von Salmons stummem Lächeln halten sollte, das kaum merklich dünner zu werden schien.
    »Ach«, fuhr er fort und deutete mit dem Kinn auf einen dicken Mann, der vorbeiging, »wenn der da sprechen wollte, wäre ich meine Sorgen los. Er sieht bestimmt klar.«
    Er meinte den berühmten Amadieu, der immer noch von seinem Erfolg bei dem Coup mit den Selsis-Gruben zehrte. In einem Anfall von törichter Starrköpfigkeit hatte er damals – ohne Voraussicht noch Berechnung, einfach aufs Geratewohl – die Aktien zu fünfzehn Francs gekauft und später mit einem Gewinn von rund fünfzehn Millionen wieder abgestoßen. Man verehrte ihn wegen seiner großen Fähigkeiten als Geldmann, ein richtiger Hofstaat folgte ihm, versuchte seine belanglosesten Worte zu erhaschen und spekulierte dann in der Richtung, die sie anzudeuten schienen.
    »Ach was«, rief Pillerault, getreu seiner Lieblingstheorie eines Draufgängers, »das beste ist immer noch, aufs Geratewohl der eigenen Laune nachzugeben!

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