Das Geld - 18
Hände auf Frau Carolines Schultern, die immer noch an ihrem Tisch saß.
»Verzweifeln Sie doch nicht, Frau Caroline! Ich mag Sie sehr, Sie werden sehen, ich mache mit Ihrem Bruder etwas sehr Gutes für uns alle … Haben Sie Geduld und warten Sie ab!«
Im darauffolgenden Monat verschaffte Saccard dem Ingenieur erneut einige kleine Arbeiten, und obwohl er nicht mehr von den großen Geschäften sprach, mußte er doch fortwährend daran denken, wälzte er sie in seinen Gedanken, auch wenn er vor der erdrückenden Größe der Unternehmungen zögerte. Aber was die entstehenden Bande ihrer vertrauten persönlichen Beziehungen enger knüpfte, war die ganz natürliche Art, in der sich Frau Caroline mit seinem Haushalt befaßte. Als alleinstehender Mann wurde er von überflüssigen Kosten aufgefressen und um so schlechter bedient, je mehr Diener er hatte. Er, der nach außen so wendig war und mit starker, geschickter Hand in den trüben Wassern der großen Räubereien fischte, ließ bei sich zu Hause alles drunter und drüber gehen, unbekümmert um die erschreckenden Verluste, die seine Ausgaben verdreifachten; obendrein machte sich das Fehlen einer Frau bis in die kleinsten Dinge hinein empfindlich bemerkbar. Als Frau Caroline die Plünderung bemerkte, gab sie ihm zunächst Ratschläge, mischte sich dann schließlich ein und verhalf ihm zu zwei oder drei Einsparungen, so daß er ihr eines Tages lachend anbot, seine Hausdame zu werden. Warum auch nicht? Da sie eine Stelle als Erzieherin gesucht hatte, konnte sie sehr wohl eine für sie ehrenhafte Stellung annehmen, die ihr erlaubte abzuwarten. Das im Scherz gemachte Angebot wurde ernst. War das nicht eine geeignete Form, sich zu beschäftigen, ihren Bruder mit den dreihundert Francs zu unterstützen, die ihr Saccard monatlich geben wollte? Und sie willigte ein; binnen acht Tagen ordnete sie den Haushalt neu, entließ den Küchenchef und seine Frau und stellte dafür nur eine Köchin ein, die mit dem Kammerdiener und dem Kutscher zur Bedienung ausreichen mußte. Ebenso behielt sie nur ein Pferd und einen Wagen, nahm völlig das Heft in die Hand und prüfte die Rechnungen mit so peinlicher Sorgfalt, daß sie nach den ersten zwei Wochen die Ausgaben um die Hälfte verringert hatte. Saccard war entzückt, scherzte und sagte, daß jetzt er sie um ihr Geld brächte und daß sie einen gewissen Prozentsatz von all den Gewinnen hätte fordern müssen, zu denen sie ihm verhalf.
Von nun an lebten sie sehr eng zusammen. Saccard hatte den Einfall gehabt, die Schrauben herausdrehen zu lassen, die die Verbindungstür zwischen den beiden Wohnungen versperrten, und man stieg wieder ungehindert über die Innentreppe von einem Speisesaal in den anderen; Frau Caroline überließ ihren eigenen Haushalt der Sorge ihres einzigen Dienstmädchens und ging zu jeder Tageszeit hinunter, um wie bei sich zu Hause ihre Anordnungen zu erteilen, während ihr Bruder oben von früh bis spät bei verschlossenen Türen arbeitete, um seine Akten aus dem Orient in Ordnung zu bringen. Saccard freute sich über das ständige Erscheinen dieser schönen großen Frau, die die Räume durchquerte mit ihrem festen und stolzen Schritt, mit der immer wieder neuen, überraschenden Heiterkeit ihres weißen Haars, das ihr um das junge Gesicht flatterte. Sie war wieder sehr fröhlich, sie hatte ihren Lebensmut zurückgewonnen, seitdem sie sich nützlich fühlte, ihre Stunden ausfüllte und fortwährend auf den Beinen war. Ohne Schlichtheit vortäuschen zu wollen, trug sie immer nur ein schwarzes Kleid, aus dessen Tasche das helle Geklingel des Schlüsselbundes zu vernehmen war; und fraglos machte sie, die Gelehrte und Philosophin, sich ein Vergnügen daraus, nichts weiter als eine gute Hausfrau zu sein, die Haushälterin eines Verschwenders, den sie zu lieben begann, so wie man die mißratenen Kinder liebt. Saccard, der einen Augenblick ganz hingerissen war und sich ausrechnete, daß der Altersunterschied zwischen ihnen nur vierzehn Jahre betrug, hatte sich gefragt, was wohl geschehen würde, wenn er sie eines schönen Abends in die Arme nähme. Durfte er annehmen, daß sie seit zehn Jahren, seit ihrer erzwungenen Flucht aus dem Hause ihres Gatten, von dem sie mit ebensoviel Schlägen wie Zärtlichkeiten bedacht worden war, wie eine reisende Amazone gelebt hatte, ohne einen Mann anzusehen? Vielleicht hatten die Reisen sie geschützt. Indes wußte er, daß ein Kaufmann und Freund ihres Bruders, der in Beirut geblieben war
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