Das Geld - 18
Zufälligkeit seines unverhofften Glücks. Übrigens taten sie es nie wieder, da offenbar keiner von beiden Lust dazu verspürte.
Vierzehn Tage lang war Frau Caroline schrecklich traurig. Die Lebenskraft, dieser Antrieb, der aus dem Leben eine Notwendigkeit und eine Freude macht, hatte sie verlassen. Sie ging zwar ihren vielfältigen Beschäftigungen nach, war aber irgendwie geistesabwesend, ohne sich über Sinn und Zweck der Dinge noch Täuschungen hinzugeben. Die menschliche Maschine arbeitete aus Verzweiflung über die Nichtigkeit allen Tuns. Ihre einzige Zerstreuung in diesem Schiffbruch ihrer Tapferkeit und Heiterkeit war es, alle ihre freien Stunden an einem Fenster des großen Arbeitszimmers zu verbringen, die Stirn an die Scheiben gepreßt und den Blick starr auf den Garten des Nachbarhauses geheftet, jenes Palais de Beauvilliers, dessen bittere Not und verborgenes Elend sie seit den ersten Tagen nach ihrem Einzug erraten hatte, obwohl man sich so verzweifelt bemühte, den Schein zu wahren. Dort gab es auch Wesen, die litten; ihr eigener Kummer war wie durchtränkt von diesen Tränen, und sie verfiel in tödliche Schwermut, so daß sie sich bisweilen gefühllos und tot im Schmerz der anderen vorkam.
Diese Beauvilliers, denen früher in der Rue de Grenelle ein herrliches Palais gehörte, ganz zu schweigen von ihren riesigen Gütern in der Touraine41 und im Anjou42, besaßen in Paris nur noch dieses ehemalige Lusthaus, das zu Beginn des vorigen Jahrhunderts außerhalb der Stadt errichtet worden war; heute war es von den dunklen Häusern der Rue Saint-Lazare eingeschlossen. Die letzten schönen Bäume des Gartens standen dort wie in der Tiefe eines Brunnens, das Moos zerfraß die Stufen der zerbröckelnden, geborstenen Freitreppe. Man hätte meinen können, das Ganze sei ein Stück Natur im Gefängnis, ein ruhiger, trauriger Winkel von stummer Verzweiflung, in den die Sonne nur noch als grünliches Tageslicht hinabdrang, dessen Kälte die Schultern erstarren ließ. Und der erste Mensch, den Frau Caroline in diesem feuchten Kellerfrieden oben auf jener zerfallenen Freitreppe entdeckte, war die Gräfin Beauvilliers, eine große, magere Frau von sechzig Jahren, mit schlohweißem Haar, eine sehr vornehme, ein wenig altmodische Erscheinung. Mit der großen geraden Nase, den dünnen Lippen und dem ungemein langen Hals sah sie wie ein uralter Schwan von trauriger Sanftmut aus. Hinter ihr war fast gleichzeitig ihre Tochter erschienen, Alice de Beauvilliers, fünfundzwanzig Jahre alt, aber so kümmerlich, daß man sie ohne ihren schlechten Teint und ihr eingefallenes Gesicht für ein kleines Mädchen gehalten hätte. Der Mutter war sie wie aus dem Gesicht geschnitten, nur schmächtiger, ohne die aristokratische Vornehmheit, der Hals lang bis zur Häßlichkeit; sie besaß nichts weiter als den kläglichen Reiz eines aussterbenden großen Geschlechts. Die beiden Frauen lebten allein, seitdem der Sohn, Ferdinand de Beauvilliers, nach der von Lamoricière verlorenen Schlacht bei Castelfidardo43 bei den päpstlichen Zuaven44 diente. Wenn es nicht regnete, kamen sie täglich, eine hinter der anderen, aus dem Haus, stiegen die Freitreppe hinab und machten einen Gang um den schmalen Rasen in der Mitte, ohne ein Wort zu wechseln. Es gab nur Efeueinfassungen, Blumen wären nicht gewachsen oder vielleicht zu teuer gewesen. Und dieser langsame Verdauungsspaziergang der beiden blassen Frauen unter den hundertjährigen Bäumen, die so viele Feste gesehen hatten und denen nun die Bürgerhäuser aus der Nachbarschaft die Luft nahmen, war von so schmerzlicher Schwermut, als führten beide die Trauer um die alten toten Dinge spazieren.
Frau Caroline, deren Teilnahme erwacht war, beobachtete ihre Nachbarinnen mit zärtlicher Sympathie, ohne böse Neugier; und da sie von ihrem Platz aus den Garten überblicken konnte, drang sie allmählich in das Leben der beiden Frauen ein, das diese mit eifersüchtiger Sorge nach der Straße zu verbergen wollten. Immer noch stand ein Pferd im Stall und ein Wagen in der Remise, ein alter Diener, der Kammerdiener, Kutscher und Concierge in einer Person war, versorgte beides; dann war noch eine Köchin da, die auch als Stubenmädchen diente. Doch wenn auch der Wagen, korrekt angespannt, aus dem Hauptportal fuhr und die Damen mit ihm ihre Besorgungen erledigten, wenn auch die Tafel bei den im Winter alle vierzehn Tage stattfindenden Diners, zu denen einige Freunde kamen, einen gewissen Luxus wahrte – mit
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