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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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dahinein. Das schlimmste an diesem Fieber ist, daß einem der rechtmäßige Gewinn verleidet wird und daß man schließlich sogar den richtigen Begriff vom Wert des Geldes verliert. Und am Ende stand unvermeidlich der Bankrott, wenn der Betrieb in Lyon zweihunderttausend Francs einbrachte und die Spekulation dreihunderttausend schluckte.
    Saccard fand Sédille aufgeregt und in Unruhe vor, denn der Seidenfabrikant war ein Spekulant ohne Phlegma und ohne Philosophie. Er lebte in Gewissensbissen, hoffte immer und war immer niedergeschlagen, krank vor Ungewißheit, weil er im Grunde ehrlich geblieben war. Die Liquidation von Ende April war für ihn verheerend ausgefallen. Dennoch verfärbte sich sein fettes Gesicht mit dem starken blonden Backenbart schon bei den ersten Worten.
    »Ach, mein Lieber, wenn Sie mir das Glück bringen, so seien Sie willkommen!«
    Dann packte ihn der Schrecken.
    »Nein, nein! Führen Sie mich nicht in Versuchung. Ich sollte mich lieber mit meinen Seidenballen einschließen und mich nicht mehr aus meinem Kontor hinauswagen.«
    Saccard wollte, daß er sich beruhigte, und sprach mit ihm über seinen Sohn Gustave, den er am Vormittag bei Mazaud gesehen hatte. Aber das war für den Händler ein weiterer Anlaß zur Sorge, denn er hatte davon geträumt, diesem Sohn seine Firma zu übergeben; Gustave jedoch verachtete den Handel, war allein für Vergnügungen und Feste zu haben und zeigte die gesunden Zähne der Söhne von Emporkömmlingen, die nur dazu taugen, vorhandene Vermögen aufzuknabbern. Sein Vater hatte ihn zu Mazaud geschickt, um zu sehen, ob er im Finanzfach anbeißen würde.
    »Seit dem Tode seiner armen Mutter«, murmelte er, »hat er mir sehr wenig Freude gemacht. Na, vielleicht lernt er dort im Maklerbüro Dinge, die mir nützlich sein können.«
    »Also gut«, versetzte Saccard unvermittelt, »machen Sie nun mit? Daigremont läßt Ihnen ausrichten, daß er sich beteiligt.«
    Sédille streckte die zitternden Arme zum Himmel empor. Man hörte an seiner Stimme, daß er zwischen Begehren und Furcht hin und her gerissen war.
    »Aber ja, ich bin dabei! Sie wissen genau, daß ich gar nicht anders kann! Wenn ich mich weigerte und Ihr Geschäft liefe, würde ich krank vor Bedauern … Sagen Sie Daigremont, daß ich mitmache.«
    Als Saccard wieder auf der Straße stand, zog er seine Uhr und sah, daß es kaum vier war. Die Zeit, die er noch vor sich hatte, und das Bedürfnis, ein wenig zu laufen, veranlaßten ihn, seine Droschke wegzuschicken. Er bereute es fast auf der Stelle, denn er war noch nicht auf dem Boulevard, als ihn ein neuerlicher Platzregen, eine mit Hagel vermischte Sintflut, wiederum zwang, sich unter ein Tor zu flüchten. Bei solchem Hundewetter Paris abklappern zu müssen! Nachdem er eine Viertelstunde lang zugesehen hatte, wie das Wasser niederrann, packte ihn die Ungeduld, und er hielt einen vorbeifahrenden leeren Wagen an. Es war eine Viktoria, vergeblich zog er sich das Spritzleder über die Beine, er kam durchnäßt und eine reichliche halbe Stunde zu früh in der Rue Larochefoucauld an.
    Der Diener führte ihn in den Rauchsalon und sagte ihm, der gnädige Herr sei noch nicht zurück. Saccard ging mit kleinen Schritten auf und ab und schaute sich die Gemälde an. Plötzlich erklang in der Stille des Palais eine prachtvolle Frauenstimme, ein schwermütiger tiefer Alt, und er näherte sich dem offenen Fenster, um zu lauschen: die gnädige Frau übte am Klavier ein Stück ein, das sie zweifellos am Abend in irgendeinem Salon singen sollte. Von dieser Musik eingewiegt, dachte er an die seltsamen Geschichten, die man über Daigremont erzählte, vor allem an die Hadamantine-Affäre, jene Kapitalaufnahme von fünfzig Millionen, bei der er das ganze Stammkapital in der Hand behalten hatte und es von ihm hörigen Maklern fünfmal verkaufen ließ, bis er einen Markt geschaffen und einen Preis festgesetzt hatte; dann der ernsthafte Verkauf, das unvermeidliche Herunterpurzeln von dreihundert auf fünfzehn Francs und die ungeheuren Profite auf Kosten einer ganzen kleinen Welt von Leichtgläubigen, die auf einen Schlag ruiniert waren. Ach ja, er war stark, ein schrecklicher Mann! Die Stimme der Gnädigen tönte fort, verströmte eine unsagbar zärtliche Klage von tragischer Größe; Saccard indessen war in die Mitte des Zimmers zurückgekehrt und vor einem Meissonier64 stehengeblieben, den er auf hunderttausend Francs schätzte.
    Da trat jemand ins Zimmer, und zu seiner Überraschung war

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