Das Geld - 18
Nicht einen Sou! Das schwöre ich, hören Sie! Und wenn Papa nur einen Sou Brückengeld brauchte, ich würde ihm den nicht borgen … Verstehen Sie doch! Es gibt Dummheiten, die zu dumm sind, und ich will mich nicht lächerlich machen.«
Wieder schaute sie ihn an, verwirrt von den häßlichen Dingen, die er ihr zu verstehen gab. In diesem Augenblick der Erregung hatte sie weder den Wunsch noch die Zeit, ihn zum Sprechen zu bringen.
»Und mir«, versetzte sie schroff, »würden Sie mir diese zweitausend Francs borgen?«
»Ihnen, Ihnen …«
Mit anmutigen, leichten Bewegungen polierte er sich die Nägel und musterte gleichzeitig Frau Caroline mit seinen hellen Augen, die den Frauen bis ins Herz sahen.
»Ihnen schon … Sie sind eine Närrin, Sie werden mir das Geld zurückgeben.«
Als er dann die beiden Scheine aus einem Kästchen geholt und ihr überreicht hatte, faßte er sie bei den Händen und hielt sie einen Augenblick in den seinen, mit der fröhlichen Miene eines Freundes, als Stiefsohn, der für seine Stiefmutter Sympathie empfindet.
»Sie machen sich Illusionen über Papa! Oh, verteidigen Sie sich nicht, ich frage Sie nicht nach Ihren Angelegenheiten … Die Frauen sind so ungereimt, manchmal ist es für sie eine Zerstreuung, wenn sie sich aufopfern, und selbstverständlich haben sie ganz recht, ihr Vergnügen dort zu suchen, wo sie es finden … Was tutʼs, falls Sie eines Tages schlecht dafür belohnt werden, so besuchen Sie mich, und wir plaudern dann ein bißchen.«
Als Frau Caroline wieder in ihrer Droschke saß, noch ganz benommen von der lauen Wärme des kleinen Palais, von dem Heliotropduft, der ihre Kleider durchtränkt hatte, schauderte ihr, als käme sie von einem verrufenen Ort; sie war auch erschrocken durch die Andeutungen und Witzeleien des Sohnes über den Vater, die ihren Verdacht hinsichtlich der zwielichtigen Vergangenheit Saccards verstärkten. Aber sie wollte nichts wissen, sie hatte das Geld, und sie beruhigte sich wieder, während sie ihr Tagewerk für den kommenden Tag bedachte, an dem sie das Kind bis zum Abend aus seiner lasterhaften Umgebung befreien wollte.
Am anderen Morgen durfte sie keine Zeit verlieren, denn sie hatte allerlei Formalitäten zu erledigen, wenn sie sicher sein wollte, daß ihr Schützling im »Werk der Arbeit« aufgenommen würde. Ihre Stellung als Sekretärin der Aufsichtskommission, die die Gründerin, die Fürstin dʼOrviedo, aus zehn Damen der Gesellschaft gebildet hatte, erleichterte ihr diese Formalitäten, und am Nachmittag hatte sie nur noch Victor aus der Cité de Naples abzuholen. Sie hatte anständige Kleidung mitgenommen, war allerdings in Sorge, daß der Kleine, der von der Schule nichts hören wollte, sich sträuben könnte. Aber die Méchain, der sie ein Telegramm geschickt hatte und die mit ihrem Besuch rechnete, teilte ihr schon in der Tür eine Nachricht mit, die sie ganz aus der Fassung gebracht hatte: in der Nacht war plötzlich Mutter Eulalie gestorben, ohne daß der Arzt die genaue Ursache hatte feststellen können, vielleicht ein Schlaganfall oder eine Zersetzung des verseuchten Blutes; aber das schrecklichste war, daß der Bengel, der bei ihr schlief, ihren Tod in der Dunkelheit erst bemerkt hatte, als er sie an seinem Körper erkalten fühlte. Er hatte den Rest der Nacht bei der Hausbesitzerin verbracht, ganz verstört nach diesem Drama und von dumpfer Angst gequält, so daß er sich ankleiden ließ und bei dem Gedanken zufrieden zu sein schien, daß er von jetzt an in einem Haus mit einem schönen Garten leben sollte. Nichts hielt ihn dort mehr zurück, da ja die Dicke, wie er sagte, nun im Loch verfaulen müßte.
Indessen stellte die Méchain, während sie die Quittung für die zweitausend Francs ausschrieb, ihre Bedingungen.
»Also abgemacht, nicht wahr, Sie zahlen den Rest von den sechstausend in sechs Monaten auf einmal … Andernfalls muß ich mich an Herrn Saccard wenden.«
»Herr Saccard wird das natürlich selbst besorgen«, sagte Frau Caroline. »Heute vertrete ich ihn nur.«
Victor und die alte Cousine nahmen ohne jede Zärtlichkeit Abschied voneinander: ein Kuß auf die Stirn, und der Junge stieg rasch in den Wagen, während die Méchain, die Busch gescholten hatte, daß sie sich mit einer Abschlagszahlung zufriedengab, weiter insgeheim ihren Ärger zerkaute, mit ansehen zu müssen, wie ihr das Pfand entschlüpfte.
»Also seien Sie ehrlich zu mir, gnädige Frau, sonst werden Sie es zu bereuen haben, das schwöre
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