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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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»Herr Maxime wird Sie sogleich in seinem Zimmer empfangen.«
    Frau Caroline stand mit Maxime auf vertrautem Fuße, seitdem er sie, sooft er bei seinem Vater dinierte, dort als treue Hausdame tätig sah. Als sie das Zimmer betrat, fand sie die Vorhänge zugezogen; auf dem Kamin und einem kleinen Tischehen brannten sechs Kerzen und erhellten mit ruhiger Flamme dieses Nest aus Daunen und Seide, das mit seinen tiefen Sesseln und seinem riesigen, federweichen Bett das allzu kokette Zimmer einer käuflichen schönen Dame zu sein schien. Es war sein Lieblingszimmer, wo er alle Finessen aufgeboten hatte, kostbare Möbel und Nippsachen, wundervolle Stücke aus dem vergangenen Jahrhundert, verloren, eingeschmolzen in die köstlichste Fülle von Stoffen, die sich denken ließ.
    Die Tür zum Ankleidezimmer stand weit offen, und Maxime erschien mit den Worten:
    »Nanu, was ist denn geschehen? Papa ist doch nicht etwa gestorben?«
    Nach dem Bade war er in einen eleganten weißen Flanellanzug geschlüpft, seine Haut duftete frisch, sein hübscher Mädchenkopf mit den schon etwas ermatteten Zügen und seine hellen blauen Augen konnten seine Nichtigkeit vergessen machen. Durch die Tür hörte man noch einen Wasserhahn über der Badewanne tropfen, während aus dem lauen Wasser ein starker Blumenduft aufstieg.
    »Nein, nein, es ist nichts Ernstes«, antwortete sie, von dem gelassen scherzhaften Ton der Frage unangenehm berührt. »Aber was ich Ihnen zu sagen habe, bringt mich dennoch ein wenig in Verlegenheit … Entschuldigen Sie bitte, daß ich Sie so überfalle …«
    »Nun ja, ich will zum Abendessen in die Stadt fahren, aber ich habe schon noch Zeit zum Ankleiden … Was gibt es denn?«
    Er wartete, und sie zögerte jetzt und stammelte, beeindruckt von dem großen Luxus, von dem genießerischen Raffinement, das sie rings um sich spürte. Feigheit packte sie, sie fand nicht mehr den Mut, alles zu sagen. War es möglich, daß das Leben, das für das Zufallskind dort drüben in der Kloake der Cité de Naples so hart war, sich diesem Kind hier so großzügig erwies inmitten dieses ausgesuchten Reichtums? Auf der einen Seite soviel schändliche Gemeinheit, Hunger und unvermeidlicher Schmutz, auf der anderen Seite eine solche Sucht nach dem Erlesenen, Überfluß und ein schönes Leben! Sollte das Geld allein Erziehung, Gesundheit, Intelligenz bedeuten? Und wenn darunter derselbe menschliche Unrat blieb, bestand dann nicht die ganze Zivilisation nur in dem Vorzug, gut zu riechen und gut zu leben?
    »Mein Gott, das ist eine ganze Geschichte! Ich glaube richtig zu handeln, wenn ich sie Ihnen erzähle … Außerdem bin ich dazu gezwungen, denn ich brauche Sie.«
    Maxime hörte zunächst im Stehen zu, dann mußte er sich setzen; er war so überrascht, daß ihm die Beine den Dienst versagten. Und als Frau Caroline schwieg, rief er:
    »Wer hätte das gedacht! Ich bin nicht der einzige Sohn! Mir nichts, dir nichts fällt mir da ein gräßlicher kleiner Bruder vom Himmel!«
    Sie hielt ihn für interessiert und spielte auf die Erbschaftsfrage an.
    »Oh, Papas Erbschaft!«
    Er vollführte eine Gebärde spöttischer Unbekümmertheit, die sie nicht verstand. Was wollte er damit sagen? Glaubte er nicht an die großen Fähigkeiten seines Vaters, an sein sicheres Vermögen?
    »Nein, nein, mein Glück ist gemacht, ich brauche niemand … Aber was Sie da erzählen, ist wirklich so komisch, daß ich einfach lachen muß.«
    Er lachte in der Tat, aber verärgert und irgendwie beunruhigt, denn er dachte nur an sich und hatte noch nicht die Zeit gehabt, zu prüfen, was ihm das Abenteuer an Gutem oder Schlechtem einbringen konnte. Er fühlte sich unbeteiligt, und ihm entschlüpfte ein Wort, mit dem er sich ganz unverhohlen zu erkennen gab.
    »Im Grunde kümmert mich das überhaupt nicht!«
    Er war aufgestanden, ging in das Ankleidezimmer und kam gleich darauf mit einem Nagelpolierer aus Schildpatt zurück, mit dem er sich sachte über die Nägel fuhr.
    »Und was wollen Sie mit diesem kleinen Monstrum machen? Man kann es doch nicht in die Bastille69 stecken, wie die Eiserne Maske70.«
    Sie sprach nun von den Rechnungen der Méchain, äußerte ihren Gedanken, Victor im »Werk der Arbeit« unterzubringen, und bat Maxime um die zweitausend Francs.
    »Ich möchte nicht, daß Ihr Vater schon jetzt etwas erfährt. Ich habe nur Sie, an den ich mich wenden kann, Sie müssen mir diese Summe vorstrecken.«
    Aber er schlug es ihr rundweg ab.
    »Für Papa? Nie im Leben!

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