Das Gelobte Land
zu lassen.
Nachdem der rote Pullover in die ewigen Jagdgründe eingegangen war, bekam Manni einen großen, schwarzen Lodenmantel, eine Kutte. Der Mantel war viel zu weit und bald kein einziger Knopf mehr daran, so dass Manni sich darin einwickeln und ihn vorn mit der Hand zuhalten musste, damit der Umhang auf seinen langen Spaziergängen durch Regen und Sturm überhaupt irgendwelchen Schutz gewährte; auf diesen berühmten Spaziergängen, auf denen ein kurzsichtiger junger
Mann mit verzerrtem Gesicht und ausgreifenden Schritten vorwärts marschierte und kritisch hinter seiner Brille hervorsah. Da war Manni noch nicht ganz so exzentrisch, nicht ganz so einsam. Er hatte angefangen, sich an den Aktivitäten des Fotoclubs in der Schule zu beteiligen, und meinte, ja vielleicht nicht gerade Freunde, außer seinem Cousin Bóbó, aber wenigstens Bekannte zu haben, Bekannte unter den Menschen. Aber als er sechzehn Jahre alt war, begann das Morgenblatt, an Sonntagen auf der Rückseite der Zeitung künstlerische Fotos abzudrucken (das weckte natürlich Interesse im Fotoclub). Nun hatten die Fotografen des Blattes Gelegenheit, sich einmal auszutoben und sich romantische Motive zu suchen und den Bildern dann lyrische Titel zu geben: Leuchtturm in der Dämmerung, Fahrrad am Sandstrand, und eines Tages erschien ein Bild, das ein Fotograf von Manni gemacht hatte, als er sich im Nieselregen auf einem Spaziergang an der Landstraße entlang befand. Auf dem Bild war nichts zu sehen außer Autolichtern, die in der Nässe aufleuchteten, und Manni, der in seine schwarze Kutte gehüllt kräftig ausschritt. Das Bild trug den poetischen Namen: Einsamkeit .
Vielleicht war es deshalb, dass er den Staub von diesem Beinamen entfernte, so privat und nur für sich selbst, und Hefte mit düsteren Gedichten voller Anklagen zu füllen und die Bücher mit diesem Dichternamen zu signieren begann.
Die Fotografie war in diesen Jahren tatsächlich seine liebste Kunstform. Irgendein Schulpsychologe machte, als Manni in der zwölften Klasse war und alle schon graue Haare bekamen seinetwegen, den Vorschlag, dass man dem Jungen eine Möglichkeit geben musste, sein Leidensbedürfnis zu erfüllen oder wie das nun genau formuliert war, und jedenfalls war das der Ursprung dieses Zustands, dass der schwierige junge Mann all sein Interesse auf die Fotografie konzentrierte. Natürlich hatten
Mannis Eltern das für keine besonders schlaue Idee gehalten, denn Fotoapparate kosteten Geld, und davon wollten sie sich nicht gern trennen, aber es war sein Cousin in der Neuen Hütte, der lahme Bóbó, der in dieser Sache eine Rolle spielen sollte; er hatte den alten Fotoapparat von Daniel, Gott hab ihn selig, dem Flughelden, geerbt, und diese Kostbarkeit lieh er Hermann Thórgnýsson, seinem Cousin und Freund, mit Vergnügen. Da geriet der alte Beiname Der Rote Wolf endlich in Vergessenheit wegen eines anderen, neuen: Manni Fótó .
So erwiesen sich die introvertierten Cousins einander als wahre Freunde, wenn Not am Mann war. Und am Tag nach Onkel Baddis Überfall auf die Neue Hütte war Bóbó zu Hermann Thórgnýsson zu Besuch gekommen, saß bei ihm im Zimmer. Manni, immer gleich heimlichtuerisch und beschäftigt, räumte alles mögliche Zeug in seine Schubladen und sagte, er arbeite gerade an einem bestimmten Projekt, und Bóbó setzte sich und wartete, während der Cousin seine Sachen aufräumte. Auch er fand es angenehm, zu warten und zu schweigen, war besorgt und traurig, zumal Hafdís offensichtlich entschlossen war, tatsächlich ernst zu machen mit dem, was sie gesagt hatte, dass sie nicht länger in der Neuen Hütte wohnen könne, und Bóbó konnte ihr das natürlich nicht verübeln, so wie die letzten vierundzwanzig Stunden abgelaufen waren. Manni fühlte, wie es dem Cousin zumute war, und daher fragte er nur:
– Ist es das Säuferschwein?
Bóbó nickte.
Dann lenkten sie das Gespräch zunächst einmal auf anderes, denn es war so schwierig, zu zweit zusammenzusitzen und ganz ernst und konzentriert zu gucken. Sie mussten sich ein wenig entfernen von dem, worüber sie sprachen, um Spaß daran zu haben, so dass Manni zu einem großen Höhenflug ansetzte
und seinem Cousin verschiedene Bücher und Hefte über Astrologie zu zeigen begann, die er hatte. Eine Zeit lang hatte er sich ganz in die Astrologie versenkt und sie für den Ursprung allen Wissens gehalten, doch nun war er beinahe soweit, die Sache andersherum zu sehen. Er hatte irgendwo gelesen, dass eine
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