Das Gelobte Land
seine Pantoffeln und polterte nach unten.
Baddi lag auf dem Sofa im Wohnzimmer, leergekotzt und schweißnass. Er war leichenblass und hatte einen schrecklichen, schmerzverzerrten Gesichtsausdruck, der nicht gestellt war. Bóbó hatte das Gefühl, sein Herz würde für einige Schläge aussetzen, dann näherte er sich vorsichtig dem Sofa. Er kniete an der Seite des kranken Mannes, berührte ihn an der Schulter und fühlte, dass sich noch Leben in ihm rührte. Baddi riss die Augen auf, als er die Berührung fühlte, riss die blutunterlaufenen Augen auf und schloss sie wieder mit einem Stöhnen. Dann drehte er sich unter großer Anstrengung auf dem Sofa, öffnete wieder die Augen, sah Bóbó, seinen Neffen, an und sagte mit matter Heldenstimme:
– You only live twice.
Dann schlossen sich die Augen, und er schien wieder das Bewusstsein verloren zu haben.
Bóbó war völlig gelähmt. Er versuchte, den Mund zu öffnen, wollte etwas tun, den Onkel wecken, ihn bitten, nicht zu sterben, ihm den Gefallen zu tun und weiterzuleben. Aber da kam die Wahrsagerin herein, düster, verrunzelt und uralt. Sie hatte irgendeinen Brei auf einem Teller und murmelte vor sich hin: – Ich dachte erst, dass er auf die Antabustabletten noch getrunken hätte, aber das ist doch etwas Schlimmeres.
Sie hatte noch keinen Arzt gerufen. Weswegen? Ja, weil der baumstarke Supermann das nicht wollte. Es strikt verboten hatte. Keinen Doktor Schiwago, wiederholte er am Abend, als er wieder zu Bewusstsein kam: – keinen Doktor Schiwago, dann schwanden ihm wieder die Sinne.
Bóbó lag in seinem Zimmer, gelähmt vor Erschütterung und Entsetzen. Er fühlte überall um sich die Nähe des Todes. Wenn er das Lallen des Onkels hörte, erstarrte er und machte sich
ganz steif. Wenn das schmerzgequälte Stöhnen von unten heraufdrang, wollte er sich am liebsten auf den Boden werfen und schreien, aber das überstieg seine Kräfte. Er schloss sich ein und antwortete nicht, als angeklopft wurde; selbst als Hafdís an der Tür hing und klopfte und besorgt fragte, ob alles in Ordnung sei, konnte er nur nein, nein, nein sagen und nicht mehr. Dann stürzte er nach vielen Stunden plötzlich nach unten, es war mitten in der Nacht, und erklärte, dass er nun einen Arzt rufen werde, egal, was wer dazu sagte, sagte, dass nichts anderes in Frage käme, man müsse einen Arzt holen für den Mann! Aber Bóbó ließ keine Taten darauf folgen, obwohl niemand widersprach. Er spähte vorsichtig ins Wohnzimmer hinein und sah die Wahrsagerin am Krankenbett sitzen, aber wagte sich nicht weiter hinein, wagte nicht, dem Onkel ins Gesicht zu sehen, sah nur seine Schultern, breit und kräftig, und die rechte Hand auf der Decke, die die Wahrsagerin über ihm ausgebreitet hatte. Dann verließ er fluchtartig das Telefon, ohne angerufen zu haben, und schlich sich wieder hinauf in sein Zimmer und legte sich dort hin. Dísa hatte er nirgendwo gesehen, ohne dass ihm dies direkt aufgefallen wäre. Aber sie kam nur wenig später, da war es schon heller Tag, und sie sagte leise durch die Tür, dass sie nun fort sei, und Bóbó konnte diesen Gedanken nicht fassen, hatte nur Kopfschmerzen, als ob ihm jemand Nadeln durch die Stirn getrieben hätte, hörte nicht, was sie noch sagte, verstand nur später irgendwann, als die Kopfschmerzen größtenteils aufgehört hatten, dass sie gegangen war.
Dann wurde es aufs Neue dunkel und dann wieder hell, und so ging das vielleicht eine ganze Weile, und Bóbó lag einfach auf seinem Diwan. Plötzlich hörte er durch das ganze Pfeifen und Summen in seinem Kopf, dass Oma auf der unteren Etage mit jemandem sprach, und als er zu sich kam und anfing zu lauschen, da stellte sich heraus, dass es so war, wie er es
sich gedacht hatte, sie sprach mit Onkel Baddi. Zwar war seine Stimme leise, und er sagte kaum etwas außer ein paar Einsilbern, aber trotzdem war kein Irrtum möglich; es war ausgeschlossen, ihn mit irgendjemand anderem zu verwechseln. Da schlich Bóbó hinunter und sah vorsichtig hinein ins Wohnzimmer, und da saß der harte Bursche auf dem Sofa mit vielen Kissen im Rücken, durchscheinend und blass und mitgenommen und mit eingefallenen Wangen und gelblichem Schleim in den Augen, aber am Leben. Die Wahrsagerin fütterte ihn gerade mit einem Löffel Brei, Zwieback in lauwarmer Milch, und das ging nicht so gut, aber der Onkel grinste nur, machte sich über sich selbst lustig. Aber als er Bóbó in der offenen Tür sah, breitete sich das Lächeln über sein
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