Das Gelobte Land
Bóbó war schon immer ein Faulpelz gewesen, hatte sich nie aufraffen können, ein Interesse für etwas zu pflegen, das irgendwelche Anstrengung kosten könnte.
Und Bóbó konnte selbstverständlich nicht anders als dieses großzügige Angebot anzunehmen. Sie packten Mannis primitive, alte Entwicklungsgeräte in einen Pappkarton, und dann fügten sie Flaschen mit allen notwendigen Entwicklungs- und Fixierlösungen hinzu, damit Bóbó am besten gleich damit anfangen könnte zu üben.
– Aber, übrigens, diese ganzen verdammten Chemikalien, fragte Bóbó, – war das nicht ein verdammt gefährliches Teufelszeug? Ist das ganze Zeug nicht hochgiftig? Wenn man ein Kleinkind im Haus hatte und so. Und Hermann Thórgnýsson, der Wissenschaftler, konnte aufs neue sein Licht scheinen lassen, denn er war gut zwei Jahre aufs Gymnasium gegangen und hatte sich in dieser Zeit durch die bemerkenswerte Quellenschrift
Grundlagen der Chemie erarbeitet, einer auf Experimenten aufbauenden Wissenschaft, und konnte die Frage, was im Umgang mit solchen Chemikalien zu beachten sei, erschöpfend beantworten. Denn einiges von diesem Teufelszeug musste mit äußerster Vorsicht gehandhabt werden, konnte die Kleidung zerstören, wenn sie Spritzer davon abbekam, und davon zu trinken, allmächtiger Gott, das war wie Blausäure! Nein, das war vielleicht übertrieben, Manni musste nun einmal alles ein bisschen ausschmücken, aber eine andere Sache war doch, dass es tatsächlich äußerst gefährlich sein konnte, solche Flüssigkeiten in die falschen Hände kommen zu lassen, solche starken Chemikalien. Und mit dem Versprechen auf den Lippen, besonders vorsichtig damit umzugehen, humpelte Bóbó davon, dieses kurze Stück nach Hause, mit allem im Gepäck, was der junge Hobbyfotograf brauchte.
Eine knappe Woche, nachdem Bóbó Manni besucht und die Fotoausrüstung von ihm geliehen bekommen hatte, kam Baddi wieder auf Besuch in die Neue Hütte, stockbesoffen und völlig verschwollen, die Kleidung zerrissen und zerfetzt. Mit einer halb vollen Flasche im Hosenbund; er war wahrscheinlich in eine Schlägerei geraten und sah schlechtgelaunt aus. Er trug keine lautstarken Streitereien am Telefon aus und war eigentlich ganz friedlich im Vergleich zu dem, was sich normalerweise abspielte.
Bóbó wurde vor Entsetzen und Nervosität ganz steif. Er beschloss, dass Hafdís und er am Abend irgendwohin zu Besuch gehen sollten, zu Besuch mit dem Kind, und da kamen keine anderen in Frage außer dem Bruder und der Schwägerin von Hafdís, aufstrebende Leute auf dem Karrieretrip. Normalerweise schlug er keine Besuche in ihrem Haus vor. Da wollte man nur wissen, aus welcher Familie der Junge käme und was
seine Zukunftspläne wären, und das waren nun einmal Themen, bei denen der lahme Bóbó nicht viel zu bieten hatte. Aber er war froh, an diesem Abend aus der Neuen Hütte zu entkommen, obwohl er in Gedanken diese ganzen zwei Stunden, die sie zu Besuch waren, dort war. Würde aus der Flasche hinter dem Kartoffelsack getrunken werden? Sein gesundes Bein zuckte, und ein auf- und abschwellendes Summen klang in seinem Kopf, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, sah aus dem Fenster über die erleuchtete Stadt und las konzentriert in einer alten Wochenendbeilage, aber dann war es Zeit, sich zu verabschieden. Mit dem schlafenden Kind nahmen sie ein Taxi nach Hause.
Nichts Ungewöhnliches war zu sehen, als sie vor der Neuen Hütte vorfuhren, und als sie hineinkamen, hörte er, dass alles immer noch beim alten war in der Küche. Dort saßen Onkel Baddi und Oma Lína und sprachen über die vergangene Zeit im Alten Haus.
– Du warst oft böse zu meinem Bruder Danni, hörte er Baddi sagen, und soweit Bóbó sich erinnerte, war das auch der letzte Satz gewesen, den er gehört hatte, bevor sie das Haus früher am Abend verlassen hatten. – Ach, das ist nicht wahr, blablabla, schimpfte die alte Frau zurück, aber der harte Bursche hörte gar nicht hin, er wiederholte ab und zu seine Rolle, und zwischendurch summte er alte Schlagerhits. Only the lonely … Es war beinahe friedlich im Haus, man hörte nichts außer der leisen Unterhaltung in der Küche, die philosophische Diskussion zwischen der Wahrsagerin und dem harten Burschen, und mit diesem Frieden schwebte Bóbó hinüber in das Land der Träume.
Am nächsten Morgen erwachte er durch den Ruf der Wahrsagerin:
– Ich hole einen Arzt!
Mit einem Klumpen im Hals und Summen im Kopf stieg er verwirrt in
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