Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einar Kárason
Vom Netzwerk:
nun sein ganzes Leben lang ernährt und gekleidet, fügte sie hinzu, als ob sie laut nachdächte, und schniefte.
    – Das ist nicht mein Geld, sagte ich gereizt. – Es gehört Uroma!
    – Deine Uroma hat Geld?, fragte Mama. – Das hat sie allerdings geheimgehalten in diesen Monaten, die sie hier auf unsere Kosten gewohnt hat.
    – Die Rentenzahlung, sagte ich lauter werdend. – Du hast sie abgehoben!
    – Die Rentenzahlung?
    – Ja! Für diesen Monat! Du hättest sie nicht abheben dürfen!
    Eine Weile war Schweigen am anderen Ende, und ich hörte meine Mutter in den Hörer atmen. Dann begann sie zu sprechen, mit leiser, zitternder Stimme, als ob sie ein Schluchzen unterdrückte:
    – Ist man jetzt also auch ein Dieb? Viel hat man von seinen Nächsten im Leben erdulden müssen. Aber Dieb hat mich noch keiner genannt vor dir, mein lieber Mundi.
    Ich war nahe daran, den Hörer wegzuwerfen oder aufzulegen, ich konnte dieses widersinnige Gerede nicht länger ertragen. Aber da sagte Mama etwas davon, dass das gerade jetzt kommen müsse, wenn die Schwierigkeiten am größten seien. Selten kommt ein Unglück allein, das sollte man ja mittlerweile
wissen! Also musste ich sie natürlich fragen, was ihr denn so Ernstes zugestoßen sei, die Neugier war geweckt; hatte jemand einen Unfall gehabt? Und da kam es. Das schreckliche Unglück, das sie getroffen hatte. Ihr geliebter Bruder war im Gefängnis gelandet.
    – Dein Bruder …?, sagte ich. – Baddi?
    – Ich habe nun mal nicht mehr Brüder als ihn, mein lieber Mundi, ich dachte, du wüsstest das. Zumindest nicht, seit Daníel, Gott hab ihn selig, von uns ging, fügte sie dann hinzu und wurde wieder ganz gerührt, jetzt wahrscheinlich über Daníels Tod vor zehn, fünfzehn Jahren …
    Baddi ins Gefängnis gekommen. Was hatte er sich diesmal zuschulden kommen lassen? Wieder einen Mann verprügelt? Er hatte nämlich schon mindestens zweimal dafür vor Gericht gestanden, jemanden zusammengeschlagen zu haben, und einmal auch eine Bewährungsstrafe dafür bekommen, das wusste ich. Und nun hatte also wieder jemand Anzeige gegen ihn erstattet; irgendeine Verbrecherin, sagte Mama, aber später erfuhr ich, dass es seine frühere Schwiegermutter gewesen war.
    Und Mama war deshalb von Schmerz überwältigt. Sie, die ihn jedes Mal, wenn sie sich trafen, anschrie, dass er ein geisteskranker, völlig durchgedrehter Gewaltverbrecher sei und man ihn einsperren sollte; offensichtlich hatte sie das nicht so ernst gemeint. Sie sei nämlich nicht sie selbst gewesen diese elf Tage, die er schon in Litla Hraun im Gefängnis gewesen war, sagte sie, und sie habe alle ihre Verbindungen eingesetzt, um ihn zu schützen.
    Aber mich brachte es nicht aus der Fassung, dies zu hören, gab die Nachricht nur der mir am nächsten stehenden Person weiter, meiner Mitbewohnerin und Uroma, der alten Wahrsagerin. Ich wurde darauf Zeuge eines ihrer berühmten Wutanfälle, einem Indianertanz auf ihren alten, gebrechlichen Beinen
um die ganze Neue Hütte, immer wieder im Kreis, und die Nachbarn glotzten aus den Fenstern, und die Leute, die am Haus vorbeikamen, blieben stehen, um sie zu beobachten, und dann kam die Alte herein und hängte sich ans Telefon, und die Rentenzahlungen waren völlig vergessen, denn sie begann, den Mächtigen des Landes alles Böse anzudrohen, bei ihnen zu Hause, im Allthing, in der Regierung; und den Bischof versuchte sie aufzuspüren, und ich sah und merkte an all dem, dass es keine gewöhnliche alte, sanftmütige Oma war, mit der ich es hier zu tun hatte …

Kalter Truthahn
    Manni erschien blass hinter der geöffneten Tür, als wir nach dieser Fahrt ins Krankenhaus die Hütte des Schweinehirten aufschlossen. Er sagte, er habe schon geglaubt, wir seien alle abgehauen und hätten ihn allein in diesem unheimlichen Haus zurückgelassen. Wir fragten, was denn eigentlich so beängstigend sei an dieser armseligen Hütte, und er antwortete, es sei ihm ernst, den ganzen Nachmittag sei er sehr nervös gewesen. Wir Brüder waren so beschäftigt mit unseren eigenen Erfahrungen und Erlebnissen, dass wir keine Lust hatten, uns das wirre Gerede von jemandem anzuhören, der den ganzen Tag im Haus herumgehangen hatte. Aber als es etwas ruhiger wurde und wir uns am Abend unterhielten, stellte sich heraus, dass sich doch einiges ereignet hatte auf der Crossroad Ranch, während wir damit beschäftigt waren, Oma zu retten.
    Als Bóbó und ich mit Daisy zum Auto hinausliefen, war der Schweinehirt vom

Weitere Kostenlose Bücher