Das Gelobte Land
Besuch einiges zu fragen vergessen. Zum Beispiel nach dieser Tante von uns, die wir nie gesehen hatten, die im gleichen Alter wie ich war und Bella hieß. Aber nachdem die Dinge nun diesen Verlauf genommen hatten, würden wir sie wohl zu sehen bekommen. Man hatte oft gehört, dass es endlose Probleme mit Bella gegeben hätte, die auf eigenen Wunsch bei ihrem Vater zurückgeblieben war, als er und Oma sich trennten. Gut, wenn sie nicht in Drogenmissbrauch und Gefängnis gelandet war, doch Daisy wollte nicht groß darüber reden. – She has her problems all right, sagte sie nur, als wir versuchten, sie darüber auszufragen.
Ein großes Holzhaus, schlecht instandgehalten und verputzt, zur Hälfte in Wildwuchs und Unkraut des verkommenen Gartens darum herum versunken. Das Haus von Charlie Brown. Es lag in einer Häuserzeile in einem großen Dorf; kein Leben auf der Straße außer entferntem Hundegebell, und es schien auch kein Zeichen von Leben im Haus selbst zu geben. – Well, this is it, sagte Daisy.
Manni und ich gingen und klopften an die Haustür, aber niemand antwortete. Wir wollten schon kehrtmachen und uns wieder ins Auto setzen, aber da stieg Daisy aus und sagte, dass Bella vielleicht zu Hause sei, die wohne in der Hütte auf dem Grundstück dahinter. – Und wohnt Charlie allein in dem Haus? – Nein, er hat gerade wieder geheiratet, eine ganz junge Frau, sagte Daisy.
– Wohin geht ihr?, fragte Bóbó jämmerlich durch das Autofenster, als wir durch das Unkraut im Garten davonstiefelten. Dann öffnete er die Tür und stolperte los, hinter uns her.
Das Gartenhaus war klein, aber sah gepflegter aus als das große Holzhaus. Rauch stieg aus dem Schornstein auf, und aus einem Schuppen an der Hauswand blitzte ein hochglanzpoliertes Motorrad heraus.
– Fährt Bella Motorrad?, fragte ich Daisy, als ich an der Türglocke läutete, die einen ganzen Begräbnispsalm auf einem Glockenspiel in der Hütte intonierte.
– Nein, aber ihr Freund, sagte Daisy, – ich hoffe, dass er aus dem Gefängnis entlassen worden ist.
Und das war er offensichtlich, denn er kam zur Tür, ein muskelbepackter Kerl in einem Netzunterhemd, haarig und verschwitzt, mit einer verspiegelten Sonnenbrille. Er sah uns mit fragendem Blick an, dann begrüßte er Daisy liebenswürdig, und sie küsste ihn auf die Wange und stellte dann uns drei vor.
– From Iceland!, sagte der Bellageliebte. – Wow!
Bella erschien in der geöffneten Tür, da war kein Irrtum möglich; sie sah Mama zum Verwechseln ähnlich, nur etwa zwanzig Jahre jünger. Unser Anliegen wurde erklärt, und dann stützte ich den Kranken ins Ehebett. Das Haus war kaum mehr als ein großes Zimmer, nur eine Ecke für das Bett war am einen Ende abgeteilt und eine Nische für den Fernseher am anderen. Dazwischen stand eine Sofaecke, rosa, Schaffelle auf dem Boden, ein Geschenk von Mama, erfuhr ich später; ein Küchentisch und am Fenster eine Spüle.
Ich wollte Bóbó dort allein lassen, aber er flüsterte hinter mir her und bat mich um Hilfe. Er musste seine Prothese abnehmen. Schon seitdem er winzig klein gewesen war, hatte er nie um Unterstützung dabei gebeten, der künstliche Fuß, der unten an seinem Bein befestigt war, war seine Privatsache, mit
der er niemand anderen behelligte. So dass ich sah, dass es ihm jetzt wirklich schlechtgehen musste. Wir waren schweigsam und etwas befangen, während wir diese Sache erledigten, dann deckte ich den Recken zu und ging wortlos hinaus. Keine Tür dazwischen, nur ein Bambusvorhang, der hin- und herschwang und klapperte.
Dann saßen wir am Tisch, der Bellageliebte im Netzunterhemd und mit verspiegelter Sonnenbrille, Daisy, die schnell und nervös vor sich hin redete, und Manni mit einem Gesichtsausdruck, als ob er auf Nägeln säße. Bella stand an der Spüle, vorgebeugt und ganz Hausmütterchen, klapperte unsicher und verwirrt mit Schüsseln und Gläsern herum. Als ich mich setzte, stieß Daisy einen Freudenschrei aus, weil es ihr auf einmal einfiel, dass sie in ihrer Handtasche ein paar Fotos hatte, die gemacht worden waren, als Bella das letzte Mal bei Oma zu Besuch war. Der Bellageliebte nahm ihr gleich die Bilder ab und begann, sie durch seine verspiegelten Brillengläser und den Zigarettenrauch vor seinem Gesicht forschend zu betrachten. Es waren fünf, sechs Bilder, von Daisy, Bella, Klara und Oma, verschwommene Bilder von jeweils drei von ihnen, lächelnd auf dem Sofa oder vor der Hauswand stehend. Manni und ich sahen dem
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