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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einar Kárason
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und die Wände schienen sehr dick, hier und dort waren Gitter, und auf den Holzbänken saßen überall Polizisten in voller Bewaffnung.
    Wir sprachen gerade mit einem Typen am Schalter, als einer der beiden Polizisten, die in der Nacht ins Hotel gekommen waren, zufällig vorbeikam, und er erkannte uns gleich. Kam und fragte, wie es uns ginge. Er suchte den Bericht über den Vorfall heraus und fragte nach etwas, das er noch einfügte, ließ Bóbó dann unterschreiben. Bóbó überflog den Bericht, und Manni und ich lasen über seine Schulter mit und sahen, dass er äußerst witzig war; dort stand, dass das Opfer beim Verhör völlig verwirrt gewesen sei und kaum Englisch gesprochen habe, und als Manni und ich anfingen zu kichern, krakelte
Bóbó schnell seinen Namen darunter und reichte ihn dem Polizisten zurück.
    Dann ging es zu dem geheimnisvollen Familienalbum, das die Polizisten erwähnt hatten. Ein alter Wachtmeister wurde herbeigerufen, der uns einige hundert Meter Weg lang durch diese langen Gänge des Gebäudes führte, bis wir zu einem kleinen Zimmer gekommen waren, das an ein Zahnarztwartezimmer erinnerte. Dort standen Alben auf einem Regal an der Wand, mit Abkürzungen auf den Rücken. Der Wachtmeister ließ seine Finger darüber gleiten und zog dann ein Album hervor, auf dem M.B.M. stand. – Bitte sehr, sagte er zu Bóbó, – sehen Sie sich das sorgfältig an, und überlegen Sie, ob irgendwelche dieser Charaktere vielleicht die Räuber sind.
    – Was bedeutet M.B.M.?, fragten wir.
    – Male Black Muggers, antwortete der Wachtmeister.
    Dann begann Bóbó, durch die Mappen zu blättern. Es waren die typischen Gefangenenbilder, junge, zornige schwarze Männer mit Nummern vor einer weißen Wand, in frontalen Porträts und im Profil. Viele sahen so aus, dass man sie am liebsten nicht im Dunkeln treffen wollte. Bóbó ging sehr wissenschaftlich vor bei dieser Untersuchung, blätterte mit konzentriertem Gesichtsausdruck, schüttelte manchmal den Kopf und strich sich gedankenverloren über das Kinn. Manni und ich saßen wie Statisten auf einer Holzbank, während Bóbó das Album durchging. Dann wurde ihm ein neues von anderer Art gereicht, und der letzte Versuch war schließlich, ihn durch ein Album mit schwarzen Transvestiten blättern zu lassen. Da war es mit der Wissenschaftlichkeit vorbei, er begann zu kichern und rief zu Manni und mir hinüber, wenn der Wachtmeister nicht hersah. Diese Charaktere müssten wir sehen. Und diese Männer blickten auch gar nicht zornig: die meisten lächelten wie Models, mit geschminkten Lippen und Weiberhüten. Und
Bóbó flüsterte uns zu, dass es die Schläge völlig wert gewesen sei, diese Familienalben durchschauen zu dürfen.
    Es war das Gleiche mit den Polizisten wie mit den Cowboys im Hotel, sie waren traurig und wütend, dass dieser bedauerliche Vorfall sich in ihrer geliebten Heimatstadt hatte ereignen müssen. Memphis sei nämlich gar kein so schlimmes Verbrechernest. New Orleans zum Beispiel, hier den Fluss hinunter; – it makes Memphis look like a Kindergarten. Oder die Hauptstadt, wo all das feine Pack wohne, das sei der reinste Kriegsschauplatz. Kaum möglich, auch nur zur Bäckerei zu spazieren, ohne nicht jemanden verstümmelt zu sehen. Wir saßen mit ihnen im Kaffeezimmer, dem alten Wachtmeister, dem Polizisten, der den Bericht gemacht hatte, und zwei ganz jungen, saßen rittlings auf ein paar Holzstühlen und tranken Cola aus einem großen, verbeulten Automaten. In der Luft drehte sich der Ventilator und schlachtete die Fliegen hin wie ein Fallbeil.
    – Das ist schade, dass ihr die Angreifer nicht wiedererkennen konntet, sagten die Polizisten und versuchten, einen leicht bedauernden Gesichtsausdruck zu zeigen, – aber so kann es nun mal gehen. Und als wir die Station verließen, folgten sie uns alle bis zur Tür wie eine Ehrenformation, verabschiedeten uns mit Handschlag und baten uns wortreich, nicht zu zögern, zu ihnen zu kommen, wenn wir irgendwelcher Hilfe bedürften.
     
    Bóbó war schrecklich zugerichtet. Ganz verschwollen und blau im Gesicht, gehinkt hatte er schon vorher, und obwohl er seine Verletzungen sehr herunterspielte, konnte man sehen, dass er bei verschiedenen Bewegungen Schwierigkeiten hatte; sein Rücken war offensichtlich lahm, und außerdem schien er sich bei näherer Betrachtung doch etwas an der linken Hand gebrochen zu haben. Sie war offensichtlich schwer in Mitleidenschaft
gezogen, der Handrücken ganz aufgerissen, und er konnte

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