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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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gerade und fest auf seinen Beinen aufgerichtet, während die Frauen hinter Mayli in Reih und Glied traten. Stolz führte sie sie hinaus, doch sah er, daß sie sich am Tor umdrehte, und unter der Lampe über dem Tor begegneten ihre Augen den seinen; er bemerkte, daß sie vor Lachen glänzten. Dann war sie fort.
    Er kehrte in sein Zimmer zurück, in dessen Mitte er stehenblieb. Und da wurde ihm klar, wie er ausgesehen haben mußte, wuterfüllt in den Gasthaushof springend, nackt bis auf das kleine Kleidungsstück in der Mitte – er, der General! Plötzlich begann er zu lachen; er setzte sich und lachte und lachte lange Zeit. Als er schließlich wieder zu Bett ging, fühlte er sich erleichtert und schlafbereit. Er war auch schon nahe daran einzuschlummern, als ihm jählings etwas einfiel, das ihn zum Bewußtsein zurückrief. Hier waren Sheng und Mayli … und Mayli hatte ihm gesagt, daß Sheng nicht wissen durfte, wo sie sich befand. Sollte er Sheng erzählen, daß sie gekommen war, oder nicht? Darüber dachte er eine Weile nach, und er erwog das Vergnügen, Sheng so lustig zu überraschen und Mayli zu foppen, weil sie ihn beim Fortgehen ausgelacht hatte.
    Dann dachte er: »Nein, wir sind im Krieg – das darf ich keinen Augenblick vergessen. Es ist besser, wenn sie einander nicht begegnen; sonst lassen sie ihre Pflicht außer acht und beschäftigen sich mit Liebe, und es ist meine Schuld.«
    So entschied er, und er gähnte ein paarmal laut, schüttelte sich, so daß der Staub aus dem hanfleinenen Baldachin über ihm niederrieselte, bedachte alles, was der Tag gebracht hatte, nochmals mit einem kräftigen Fluch und schlief ein.

11
    In dem Teil der Stadt, wo man die Frauen einquartiert hatte, war Mayli emsig tätig. Sie, die nie in ihrem Leben hatte arbeiten müssen, fand nun ein Vergnügen daran; allerdings beruhte das halbe Vergnügen auf dem Gefühl, die Herrschaft über alle diese andern Menschen zu haben. Es gefiel ihr, andern Anweisungen zu geben, und sie lachte im stillen, weil es ihr Spaß machte. Teils um ihr eigenes Vergnügen zu rechtfertigen, achtete sie darauf, daß niemand klagen konnte, sie sage nur andern, was sie zu tun hätten, und tue selber nichts.
    Mußte ein schmutziger Raum gereinigt oder ein Hof von Tieren gesäubert werden, bevor er zu benutzen war, so befahl sie ihren Frauen: »Los, alle an die Arbeit! Fort mit dem Schmutz!« Gleichzeitig aber griff sie selber zu, und von morgens bis abends zog sie ihre baumwollene Uniform nicht aus. Stets befand sich Pansiao in ihrer Nähe, Pansiao, die glücklich war und nichts zu klagen hatte, wenn sie nur in Maylis Nähe sein konnte.
    Pansiao war eine von jenen, die niemals etwas anderes als ein Kind sein würden. Was der Krieg für sie bedeutete, wußte sie nicht, und es kümmerte sie auch nicht. Fast hatte sie ihre Heimat und ihre Eltern vergessen, und als Mayli dies entdeckte, nahm sie sich die Mühe, mitunter von Ling Tan und Ling Sao zu sprechen, von den Brüdern und von Jade und den kleinen Kindern. Pansiaos rundes, hübsches Gesichtchen erhellte sich vom Lächeln, wann immer Mayli von diesen Menschen sprach, die sie als ihre eigenen kannte, aber bald wich das Lächeln einem seltsam lauschenden Ernst.
    »Erinnerst du dich noch«, begann Mayli eines Tages, als sie sich über einen Teich beugten, um ihre Sachen zu waschen, »daß nahe beim Haus deines Vaters ein Teich ist? Man sagte mir, er sei durch eine Bombe entstanden, aber als ich ihn sah, waren bereits Fische darin.«
    »War dort ein Teich?« fragte Pansiao verwirrt. »Habe ich ihn gesehen?«
    »Nun, vielleicht hast du ihn nicht gesehen«, versetzte Mayli rasch. »Aber du erinnerst dich doch an den kleinen Weiher im Hof, in dem Goldfische schwammen?«
    Pansiao antwortete nicht. Sie hörte auf, ihren Rock gegen den Stein zu schlagen, auf dem sie ihn zusammengefaltet hatte, und blickte Mayli ruhig an.
    »Erinnerst du dich nicht an den Hof, an den Tisch dort unter den Rohrmatten, wo es im Sommer so wunderbar kühl ist?« forschte Mayli.
    »Natürlich erinnere ich mich«, erwiderte Pansiao langsam. Dann stahl sich ein Ausdruck der Qual in ihre Augen. »Ich kann mich nicht mehr an ihre Gesichter erinnern«, fuhr sie mit leiser Stimme fort. »Ich erinnere mich an das Gesicht meines dritten Bruders, weil wir immer gemeinsam auf dem Büffel ritten, wenn wir ihn auf die Hügel zur Weide führten; aber das Gesicht meines Vaters … ich versuche mir vorzustellen, wie es aussieht. Ich weiß, daß meine

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