Das Generationenschiff
einzige Mal, als wir versucht haben, die gesicherten Datenleitungen statt der öffentlichen anzuzapfen, hat man uns die Polizei auf den Hals gehetzt. Sie merken sofort, wo unsere Wanze sitzt, und wie wir’s angestellt haben.«
»Sassinak?« Aygar tippte ihr auf die Schulter. Sie wollte ihn wegschieben, erinnerte sich aber an seine früheren positiven Überraschungen. »Ja?«
»Mein Freund, dieser Student …«
»Der damit angegeben hat, daß er die Datenkanäle anzapfen könne, ohne sich erwischen zu lassen? Ja. Aber er ist nicht hier, und wie sollen wir ihn finden?«
»Ich habe seinen Rufcode. Er sagte, es würde von jedem öffentlichen Kommunikationsstandort aus funktionieren.«
»Aber hier unten gibt’s doch keine, oder?«
Sie sah zu ihren zerlumpten Begleitern hinüber. Einige von ihnen nickten, und Coris antwortete ihr.
»Doch, oben in den öffentlichen Tunneln. Es gibt einige, die wir erreichen könnten, ohne aufzufallen. Natürlich nicht wir alle.«
»Es gibt einen illegalen im 248sten Schacht«, sagte ein anderer. »Dieser Wartungsarbeiter hat ihn installiert und an die öffentlichen Leitungen angeschlossen, damit er während seiner Arbeitszeit Werten abgeben konnte. Wir haben ihn immer wieder belauscht.«
»Wo ist der 248. Schacht?« fragte Sassinak.
Er lag nicht weit entfernt, auch wenn sie sich einige Stunden lang vorsichtig im Zickzack bewegen mußten, um ihn zu erreichen. Zweimal sahen sie umherstreifende Patrouillen, einmal in den graublauen Uniformen der Stadtpolizei und einmal in den orangefarbenen der Pollys. Ihr lustloser Streifzug durch die Tunnel beeindruckte Sassinak nicht sonderlich. Sie gaben sich offenbar damit zufrieden, einfach durch die Tunnel zu marschieren, ohne alle Luken und Seitengänge zu untersuchen. Als sie Coris darauf aufmerksam machte, zog er die Schultern ein.
»Ich wette, sie wollen Gas in das Tunnelsystem leiten. Im Moment suchen sie nach einfacher Beute, gefallenen Mädchen und Kindern … arme Teufel, mit denen sie sich ungestraft auf schweinische Art amüsieren können, um sie dann verschwinden zu lassen.«
»Gas? Meinst du Giftgas? Oder Betäubungsgas?«
»Sie haben beides schon benutzt. Es ist etwa drei Jahre her, und dabei haben sie drüben beim Shuttlehafen über tausend Leute umgebracht. Hier draußen waren wir ziemlich sicher, und wir sind damit davongekommen, daß wir für ein paar Tage alles erbrochen haben. Aber ich habe gehört, daß auf den Straßen Leute überfallen und U-Bahnen ausgeraubt worden sind.«
Sassinak fummelte an dem kleinen Päckchen in ihrer Tasche herum. Sie hatte den Detox-Filter mitgebracht, den die Flotte gegen Sturmgas einsetzte, aber würde er gegen jedes Gas etwas nützen? Sie wollte es nicht erst herausfinden, wenn sie ihn benutzte, und sie hatte nur diesen einen. Sie schob den Gedanken beiseite und unterrichtete Aygar darüber, was er seinem studierten Freund sagen und was er nicht sagen durfte. Wenn sie nur eine Gelegenheit gehabt hätte, sich von diesem Freund selbst einen Eindruck zu machen! Man konnte nicht sicher sein, ob er nicht für irgendjemand als Agent arbeitete, so lange nicht feststand, daß er wirklich nur ein Student war, der Spion spielte. Wenn es so war, würde er bald erfahren, wie aufregend das Leben als echter Spion sein konnte.
Zwei von der Gruppe stiegen vor Aygar durch die Luke in den 248. Schacht und riefen ihn dann hinein. Dieser Schacht, hatten sie erklärt, wurde oft benutzt. Deshalb mied ihn die Gruppe – außer bei besonderen Gelegenheiten.
Sassinak wartete und wünschte, sie hätte selbst anrufen können. Aygar war noch ein halbes Kind von einem Hinterwäldler-Planeten. Er kannte sich nicht aus mit Intrigen. Es würde ihm ähnlich sehen, wenn er diesen ›Freund‹ anrief und über eine ungesicherte Leitung gleich alles ausplauderte. Sie versuchte, sich nicht allzu viel Sorgen zu machen, ihre Nervosität in Zaum zu halten. Wie viele Stunden waren inzwischen vergangen? Machte Arly sich schon Sorgen? Oder sonst jemand?
Aygar schwang sich zurück durch die Luke. Seine jugendliche Kraft und Gesundheit bildeten einen lebhaften Kontrast zur verzweifelten Ausstrahlung der Unterweltbewohner.
»Er will mich treffen«, sagte Aygar. »Er sagt, die Studenten würden gern helfen.«
»Helfen? Helfen wobei?«
Sassinak wußte über zivile Studenten nicht mehr als das, was die Medien berichteten. Es war klar, daß sie nicht mit Kadetten verglichen werden konnten.
»Sie wollen beim Umsturz helfen«,
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