Das Generationenschiff
einem Herzinfarkt, und meine Brüder … nun, einer ging ins Gefängnis für einen besonders heimtückischen Anschlag‹ auf den Richter, den die Paradens bestochen hatten. Die anderen ließen sie aus Sicherheitsgründen umbringen. Und mich verkauften sie auf einen Planeten, wo meine Familie nie Handel betrieben hatte.«
Sassinak brannten Tränen in den Augen aus Trauer um die junge Frau, die Fleur einmal gewesen war. Bevor sie es merkte, hatte sie Fleur an den Händen gefaßt.
»Abe hat mich gerettet«, erzählte Fleur weiter. »Anfangs kam er auf mich zu wie jeder andere junge Mann, aber er hat … er hat etwas bemerkt. Ich weiß es nicht. Er hat mich immer damit aufgezogen, daß ich die Erziehung durch meine Gouvernante nicht verbergen könne. Also hat er Fragen gestellt, und ich habe sie ihm eifrig beantwortet, weil ich gerade vom Tod meiner Schwägerin erfahren hatte. Die Paradens legten Wert darauf, daß ich auf dem laufenden blieb. Und er hat geschworen, daß er mich irgendwie rausbringen würde. In weniger als einem Jahr hatte er meinen Kaufpreis zusammengespart. Wie er das bei seinem Gehalt schaffte, werde ich nie erfahren. Er wollte mich heiraten, aber ich wußte, daß die Flotte sehr strenge Überprüfungen der Personalien durchführt. Ich hatte furchtbare Angst, daß die Paradens mich wiederfinden würden. Also hat er mir geholfen, meinen ersten Laden einzurichten, und von da an …«
Sie wedelte mit der Hand, und Sassinak dachte an die Jahre mühsamer Arbeit, die es gekostet haben mußte, sich von diesem ersten kleinen Laden zu einer Modedesignerin hochzuarbeiten.
»Schließlich habe ich für die besten Familien Mode entworfen, natürlich auch für die Paradens. Keiner meiner Freunde hat mich erkannt. Ich habe graues Haar. Ich sehe älter aus, und natürlich achte ich darauf, daß ich wie eine Modeschöpferin aussehe, nicht wie eine Kundin.
Abe und ich sind in Kontakt geblieben, solang wir konnten. Er war davon überzeugt, daß er die Verbrechen irgendwie mit den Paradens in Verbindung bringen konnte, und deshalb fing er an zu recherchieren. Das war der eigentliche Anfang von Samizdat. Ich kannte ein paar Leute. Ich half, wo ich konnte. Ich habe Informationen an ihn weitergeleitet, wenn ich etwas Interessantes erfuhr, und er hat Informationen an mich weitergegeben. Wir haben auf einem Planeten nach dem anderen ein Netzwerk aufgebaut. Dann wurde er entführt, und ich dachte … ich dachte, ich würde über den Verlust nie hinwegkommen. Deshalb schwor ich mir, daß ich ihn heiraten würde, wenn er lebend zurückkäme. Falls er mich noch wollte.«
Sie tätschelte sanft Sassinaks Hand.
»Und da kommst du ins Spiel. Als er zurückkam, hatte er dich dabei: eine Waise, die noch unter dem litt, was geschehen war. Ich erfuhr durch unser Netzwerk, daß er wieder da sei. Ich flog nach Regg, um mit ihm zu sprechen. Und er erklärte mir, daß er, solange du deinen Weg noch nicht gemacht hättest, deine Zukunft nicht durch weitere Störungen gefährden wollte.«
»Aber ich hätte nichts dagegen gehabt«, sagte Sassinak. »Wie konnte er das nur glauben?«
»Ich weiß es nicht genau, aber wir beschlossen, daß wir mit der Heirat bis zu deinem Abschluß warten würden. Und darüber, Sassinak, wollte er an jenem Abend mit dir reden. Ich weiß nicht, ob dir etwas aufgefallen ist.«
»Oh, doch! Dann … dann warst du also sein großes Geheimnis.«
»Du klingst fast ein wenig enttäuscht.«
»Das bin ich nicht – aber ich habe nicht damit gerechnet. Ich hatte angenommen, er habe vielleicht etwas Neues über die Planetenpiraten herausgefunden.«
»Kann schon sein. Aber er hatte vor, dir nach deiner Abschlußfeier von mir zu erzählen. Wenn alles gut gegangen wäre, hätte er dich in das Hotel gebracht, in dem ich wohnte. Wir hätten uns kennengelernt, und du wärst vor deinem ersten Kreuzflug unsere Trauzeugin gewesen.«
Wie Licht, das in ein dunkles Haus drang, wenn ein Fensterladen nach dem anderen geöffnet wurde, klärte sich das Geheimnis jenes Abends auf, über das sie so lang nachgegrübelt hatte.
»Bist du zu seiner Beerdigung gekommen? Ich erinnere mich an keine Zivilisten.«
Fleur ließ den Kopf sinken. Sassinak konnte ihr nicht ins Gesicht sehen.
»Ich hatte Angst. Ich dachte, es seien die Paradens gewesen, die mich gefunden und Abe meinetwegen umgebracht hätten. Du brauchtest mich nicht, ja du kanntest mich nicht einmal. Du hättest nicht einmal gewußt, warum ich dort gewesen wäre. Also bin
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