Das Genessee-Komplott - Ludlum, R: Genessee-Komplott
wollte.
Die Fahrzeugkolonne rollte in die weite Einfahrt vor dem Haus.
Sam Vicarson erschien auf der Eingangstreppe. Präsident Trevayne rechnete damit, daß er zu den ersten gehörte, die ihn an jedem vorgegebenen Ort erwarteten. Er hatte Sam gesagt, daß es ihm ein Gefühl der Erleichterung vermittelte, wenn er wußte, daß es jemanden gab, der ihn empfing und ihm die Information liefern würde, welche er brauchte, nicht notwendigerweise wollte.
Vicarson begriff das. Aber niemand wollte dem Mann Mißvergnügen bereiten. Und das bedeutete, daß man unangenehme Tatsachen verbarg oder sie so tarnte, daß sie in das Urteil des Präsidenten paßten.
Auch Sam hatte das einmal getan. Er hatte die Zusammenfassung eines Wirtschaftsberichts so umgeformt, daß die Meinung des Präsidenten gestützt wurde, wo es tatsächlich Raum für Zweifel gab.
»Wenn Sie das noch ein einziges Mal tun, Sam, dann sind Sie hier erledigt!«
Vicarson fragte sich oft, ob es bei Trevaynes Vorgänger genauso gewesen wäre.
Verdammt, er war ein guter Präsident! Ein wirklich hervorragender Präsident, dachte Vicarson, während er Andrew dabei zusah, wie er den Wagen verließ und Phyllis die Tür aufhielt. Die Leute hatten Vertrauen zu ihm; die Leute überall.
Nach nur achtzehn Monaten im Amt hatte Trevayne das Tempo, die Perspektiven und den Stil bestimmt. Er hatte eine Haltung eingeführt. Zum erstenmal seit Jahren war da im ganzen Lande wieder so etwas wie kollektiver Stolz auf seine Führung. Er war der richtige Mann für die richtige Zeit. Ein anderer wäre vielleicht nicht imstande gewesen, die Ruhe aufrechtzuerhalten, etwas, das manchmal schwieriger war als das Überstehen eines Sturms. Nicht, daß es an der Erregung gefehlt hätte. Die Trevayne Administration hatte in Dutzenden von Bereichen kühne Neuerungen eingebracht, aber sie waren eher im Konzept als in ihrer Ausführung dramatisch. Und sie wurden eher gedämpft verkündet; man bezeichnete sie als wünschenswerte Verlagerungen der Prioritäten, nicht als Meilensteine, obwohl eine Anzahl von ihnen das durchaus waren. Im Wohnungsbau, in der medizinischen Versorgung, dem Erziehungswesen und im Bereich der Arbeitsbeschaffung; weitreichende nationale Strategien wurden eingeführt.
Sam war überrascht, einen alten Mann auf der anderen Seite der Präsidentenlimousine aussteigen zu sehen. Es war Franklyn Baldwin, Trevaynes uralter Bankiersfreund aus New York. Baldwin sah schrecklich aus, dachte Vicarson. Kein Wunder; er hatte gerade William Hill zu Grabe getragen, den Freund, den er seit seiner frühesten Kindheit gekannt hatte. Big Billy Hill war nicht mehr; Baldwin mußte sich dessen bewußt sein, daß auch seine eigenen Tage gezählt waren.
Phyllis sah zu, wie ihr Mann Frank Baldwin auf der kurzen Treppe zur Eingangstür stützte. Sam Vicarson bot seine Hilfe an, aber Andrew schüttelte kaum merklich den Kopf; der junge Anwalt begriff sofort. Der Präsident allein würde sich um Mr. Baldwin kümmern.
Phyllis folgte ihrem Mann und Frank Baldwin ins Haus. Sie gingen in das große Wohnzimmer, wo eine besorgte Seele – wahrscheinlich Sam, dachte Phyllis – ein Feuer angezündet hatte. Sie hatte sich um den alten Baldwin Sorgen gemacht. Der Begräbnisgottesdienst für William Hill war eine
jener langen anglikanischen Quälereien gewesen, die Kirche zugig, der Steinboden kalt.
»Hier, Frank«, sagte Trevayne und schob einen Sessel etwas auf den Kamin zu. »Entspannen Sie sich. Lassen Sie sich von mir einen Drink holen. Wir könnten alle einen gebrauchen. «
»Danke, Mr. President«, antwortete Baldwin und setzte sich.
»Scotch, das stimmt doch, Frank? Eis?«
»Sie erinnern sich immer daran, was jemand trinkt. Ich denke, deshalb sind Sie auch Präsident geworden.«
Baldwin lachte und zwinkerte Phyllis mit seinen alten Augen zu.
»Viel leichter, glauben Sie mir. Sam, würden Sie mir das abnehmen? Scotch on the rocks für Mr. Baldwin; Phyl und ich nehmen das Übliche.«
»Aber natürlich, Sir«, erwiderte Vicarson und wandte sich zur Halle.
Trevayne setzte sich in den Sessel, der Baldwin gegenüberstand, Phyllis neben ihm am Ende der Couch. Er griff zu ihr hinüber und hielt kurz ihre Hand, ließ sie aber los, als der alte Mann lächelte.
»Hören Sie nicht auf. Es ist schön zu wissen, daß ein Mann Präsident sein und immer noch die Hand seiner Frau halten kann, wenn keine Kamera in der Nähe ist.«
»Du lieber Gott, Frank, man weiß allgemein, daß ich sie manchmal
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