Das Genessee-Komplott - Ludlum, R: Genessee-Komplott
unhörbaren >Danke< reagierte. Der Aufdruck in der linken oberen Ecke verriet ihm, daß der Inhalt vom Armeeministerium, nicht den Vereinigten Stabschefs stammte. Er riß den Umschlag auf und entnahm ihm ein einzelnes Blatt. Es war die Kopie eines Briefes aus dem Weißen Haus, adressiert an
den Secretary of the Army und vom Präsidenten der Vereinigten Staaten unterzeichnet.
Die Sprache war kurz und sachlich und ließ keinen Platz für Interpretationen – mit Ausnahme des Zorns, vielleicht der Feindseligkeit, die der Verfasser empfunden hatte.
Der Präsident wies den Secretary of the Army an, mit sofortiger Wirkung alle in Betracht gezogenen Anklagen gegen Major Paul Bonner niederzuschlagen. Besagter Major Bonner sollte sofort in den Rang eines Colonel erhoben und binnen eines Monats auf die Kriegsakademie versetzt werden, um dort eine Ausbildung in Strategie zu erhalten. Nach Abschluß seiner Studien an der Kriegsakademie – die auf sechs Monate veranschlagt wurden –, sollte Colonel Bonner als Verbindungsoffizier den Vereinigten Stabschefs zugeteilt werden.
Paul Bonner schob den Brief vorsichtig in den Umschlag zurück und saß stumm neben dem General. Er schloß die Augen und dachte über die Ironie des Ganzen nach.
Ian Hamilton genoß den schönen Sonntagmorgen. Vor zehn Tagen war er gar nicht sicher gewesen, ob er je wieder Sonntagmorgenspaziergänge machen würde; zumindest nicht an den Ufern des Michigan Sees.
Alles das hatte sich jetzt geändert. Die Furcht war weg, und sein normales Hochgefühl, das stille Hochgefühl, das sich stets nach großen Leistungen einstellte, war zurückgekehrt. Und die Ironie des Ganzen! Der einzige Mann, den er gefürchtet hatte, der einzige, der wirklich über die Kapazität verfügte, sie zu vernichten, hatte sich selbst vom Schachbrett entfernt.
Oder war entfernt worden.
Wie auch immer, es bewies, daß die Vorgangsweise, auf der er bestanden hatte, die richtige gewesen war. Aaron Green war fast in Stücke gegangen; Armbruster hatte, von Panik erfüllt, von vorzeitigem Ruhestand gesprochen; Cooper – der arme, bedrängte, fantasielose Cooper – war in die Berge von Vermont geflohen, die Uniform mit dem Schweiß der Hysterie befleckt.
Aber er, Ian Hamilton, hatte standgehalten. Er wußte,
daß sie nur zu warten brauchten, bis Andrew Trevanyes >gekürzte< Version von den Potomac Towers freigegeben wurde. Sobald das einmal geschehen war, wer würde dann schon, wer konnte dann schon die Entscheidung treffen, ihm auch noch die Vorlage des Berichts in der ursprünglichen Form zu gestatten? Das Seil würde an beiden Seiten brennen, und Trevayne würde in der Falle sitzen. Doppelt gefangen durch die Selbstkompromittierung und das Bedürfnis der Regierung, das Gleichgewicht nicht zu stören. William Hill hatte es ja praktisch zugegeben.
Sam Vicarson saß auf dem gepackten, verschlossenen Karton und sah sich im leeren Raum um. Leer mit Ausnahme der Couch, die dagewesen war, als der Unterausschuß das Büro übernommen hatte. Die Packer waren fast fertig.
Ihn hatten jetzt nur noch die Kartons zu interessieren. Trevayne hatte ihn beauftragt, den Abtransport zu überwachen. Sie sollten in Kisten verpackt, zu Trevaynes Haus in Connecticut gebracht werden.
Warum, in Gottes Namen, wollte er sie nur dort haben?
Wer würde sie haben wollen?
Aber dies waren nicht die wichtigen Akten. Die Genessee Akten.
Die hatte man schon lange in den unterirdischen Stahlkammern des Weißen Hauses verwahrt.
Abgemeldet.
Leine ziehen, nannte man das im Jargon.
Trevayne hatte Leine gezogen; alle hatten sie Leine gezogen.
Vor einem Monat hätte er es nicht geglaubt. Er hätte es nicht für möglich gehalten.
Trevayne hatte ihm Angebote von einem halben Dutzend Spitzenunternehmen in New York beschafft, darunter auch der Firma von Walter Madison. Und Aaron Green – unter dem Vorwand, von ihm im Waldorf beeindruckt gewesen zu sein – hatte gesagt, er könnte nächste Woche als Chef der juristischen Abteilung seiner Agentur anfangen.
Aber das beste Angebot von allen kam von hier, von Washington. Ein Mann namens Smythe, Stabschef des Weißen Hauses.
Was konnte schon auf einem Lebenslauf besser aussehen als das Weiße Haus?
James Goddard saß auf dem dünnen, harten Bett in dem primitiven gemieteten Zimmer.
Goddard war kein Trinker, aber er hatte sich betrunken. Sehr betrunken. In einer schmierigen Bar, die früh am Morgen öffnete für die schmierigen Betrunkenen mit den
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