Das Genessee-Komplott - Ludlum, R: Genessee-Komplott
nannte.
Andy hatte erkannt, daß ihr Trinken mehr als nur eine gesellschaftliche Angewohnheit geworden war, hatte sich aber geweigert, es als ein Problem zu akzeptieren. Aber an jenem verregneten Nachmittag wußten beide, daß ein Problem vorlag, und daß sie sich ihm gemeinsam stellen mußten.
Die Lösung war von Andy gekommen, obwohl er sie glauben machte, es sei die ihre. Sie bestand darin, daß sie sich völlig in irgendein Vorhaben stürzte und sich ein ganz bestimmtes Ziel dabei vornahm. Ein Vorhaben, das ihr viel Vergnügen bereitete; und ein genügend ehrgeiziges Ziel, daß sich die Zeit und die Mühe dafür lohnten.
Sie brauchte nicht lange, um ein solches Vorhaben zu finden; die Faszination war schon immer dagewesen, seit sie das erstemal mit der Geschichte des Mittelalters und der Renaissance in Berührung gekommen war. Die Chroniken: Daniel, Holinshed, Froissart, Villani. Eine unglaubliche, mystische, wunderbare Welt der Legenden und der Realität, der Fakten und der Fantasien.
Sobald sie einmal begonnen hatte – zuerst vorsichtig, mit ein paar Kursen in Yale –, stellte sie fest, daß ihre Ungeduld die gleiche war, wie sie Andrew mit den Geschäften von Pace-Trevayne empfand.
Wenn Andrew sein Fieber hatte, so zog sie sich nun auch eines zu. Und je mehr sie sich hineinvertiefte, desto mehr stellte sie fest, daß alles seinen gebührenden Ort fand. Der Haushalt der Trevaynes war wieder ein geschäftiges, energiegeladenes Heim. In weniger als zwei Jahren hatte Phyllis sich ihren Master’s Degree erworben. Zweieinhalb Jahre später hatte sie das sich einmal gesetzte Ziel – jetzt nur noch eine akzeptierte Notwendigkeit – erreicht. Der Doktortitel in englischer Literatur wurde ihr verliehen. Andrew veranstaltete eine grandiose Party, um das Ereignis zu feiern – und erzählte ihr später im stillen Zusammensein ihrer Liebe, daß er vorhatte, High Barnegat zu bauen.
Sie hatten es sich beide verdient.
»Du bist ja fast fertig«, sagte Pamela Trevayne, die durch die Schlafzimmertüre hereinkam. Sie reichte ihrer Mutter den Umschlag mit dem roten Stempel und sah sich um. »Weißt du Mom, es stört mich ja nicht, daß du alles so schnell in Ordnung bringst, aber es braucht ja nicht gleich so organisiert zu sein. «
»Ich habe auch viel Erfahrung, Pam«, erwiderte Phyllis, die immer noch ihren vorangegangenen Gedanken nachhing. »Ich war nicht immer so ... ordentlich.«
»Was?«
»Nichts. Ich sagte, daß ich schon oft ausgepackt habe.« Phyllis sah ihre Tochter an, während sie geistesabwesend den Umschlag aufschlitzte. Pam würde als Erwachsene höchst attraktiv sein. Und unter dem oberflächlichen Überschwang ruhte eine feine Intelligenz, ein fragender Geist, den unbefriedigende Antworten ungeduldig machten.
»Das ist eine verrückte Veranda, Mutter. Mit ein wenig Glück könntest du gerade einen Liegestuhl hinausstellen. «
Phyllis lachte, während sie den Brief aus Bridgeport las. »Ich glaube nicht, daß wir Dinnerparties draußen geben werden ... O Gott, die haben mich auf Freitag eingeplant, und ich hatte sie gebeten, das nicht zu tun. «
»Die Seminare?« fragte Pam und drehte sich um.
»Ja. Ich hatte denen gesagt, jederzeit von Montag bis Donnerstag, also teilen die mich auf Freitag ein. Ich möchte die Freitage für die Wochenenden frei haben.«
»Das ist ja nicht sehr hingebungsvoll, Madame Professor. «
»Ein hingebungsvolles Familienmitglied reicht auch für den Augenblick. Dein Vater wird die Wochenenden brauchen – wenn er sie sich freinehmen kann. Ich werde die nachher anrufen.«
»Heute ist Samstag, Mom.«
»Da hast du recht. Also Montag.«
»Wann kommt denn Steve?«
»Dein Vater hat ihn gebeten, mit dem Zug nach Greenwich zu fahren und den Stationwagon hierherzubringen. Er hat eine ganze Liste von Sachen, die er mitnehmen soll; Lillian hat gesagt, sie würde packen.«
Pam stieß einen kurzen Schrei der Enttäuschung aus. »Warum hast du das mir nicht gesagt? Ich hätte den Bus nach Hause nehmen können und mit ihm herunterfahren.«
»Weil ich dich hier brauche. Dad hat die ganze Zeit in einem halbmöblierten Haus gelebt, ohne etwas zu essen und ohne Hilfe, während ich in Barnegat war. Wir Frauen müssen die Dinge in Ordnung bringen.« Phyllis stopfte den Brief in den Umschlag zurück und lehnte ihn an den Spiegel.
»Da bin ich dagegen. Aus Prinzip.« Pam lächelte. »Frauen sind emanzipiert. «
»Sei dagegen, sei emanzipiert und geh das Geschirr auspacken. Die
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