Das Genessee-Komplott - Ludlum, R: Genessee-Komplott
Barnegat, aber es hatte einen Namen – einen Namen, von dem Phyllis sich wünschte, sie könnte ihn auslöschen, doch der einjährige Mietvertrag gab ihr nicht das Recht dazu.
Monticellino.
Tawning Spring, Maryland, war kein Greenwich, obwohl es gewisse Ähnlichkeiten gab. Es war reich, zu achtundneunzig Prozent weiß und für die Mobilität nach oben gedacht; im wesentlichen war es auf Nachahmung eingestellt
– seiner selbst – und insular; es war von Menschen bewohnt, die genau wußten, was sie kauften. Den vorletzten Lohn des Traums ihrer Karriere. Der letzte – falls man seiner teilhaftig wurde – lag im Südosten: McLean oder Fairfax, im Jagdland von Virginia.
Was die Leute, die den vorletzten Traum kauften, nicht wußten, dachte Phyllis, war, daß sie ohne zusätzlichen Aufwand all die unerträglichen Probleme erwarben, die mit dem Kauf einhergingen.
Phyllis Trevayne hatte sie gehabt. Jene Probleme. Fünf Jahre lang – eher sechs in Wirklichkeit. Sechs Jahre in einer halben Hölle.
Am Anfang gab es ihre junge Liebe, die Aufregung, die unglaublichen Energien, die sie alle drei – Andy, Douglas, sie selbst – in das schäbige Lagerhaus steckten, das sie eine Firma nannten.
Sie tat dreifachen Dienst. Sie war Sekretärin, Buchhalterin und Ehefrau.
Ihre Heirat war – wie ihr Bruder das formulierte – bequem zwischen einem Pratt & Whitney-Vertrag und einer
bevorstehenden Präsentation bei Lockheed eingefügt worden. Andy und Doug waren übereingekommen, daß die Flitterwochen im Nordwesten drei Wochen dauern dürften, daß das ideal wäre. Das junge Paar konnte die Lichter von San Francisco sehen, in Washington oder Vancouver skilaufen, und Andrew konnte zwischendurch einen Abstecher zu Genessee Industries in Palo Alto machen.
Sie wußte, wann sie anfingen – jene schrecklichen Jahre. Wenigstens den Tag, an dem sie die Umrisse von dem sah, was auf sie zukam. Es war an dem Tag, nachdem sie von Vancouver zurückgekehrt waren.
Sie war ins Büro gekommen und lernte die Frau in mittleren Jahren kennen, die ihr Bruder eingestellt hatte, um während ihrer Abwesenheit auszuhelfen. Eine Frau, die irgendwie ein Gefühl von Zielstrebigkeit ausstrahlte, die so fest entschlossen schien, weit mehr zu leisten, als acht Stunden zuließen – ehe sie zu Mann und Kindern nach Hause hetzte. Eine reizende Person, ohne die geringste Spur von Konkurrenz an sich, nur einer tiefen Dankbarkeit, daß man ihr zu arbeiten erlaubte. Das Geld brauchte sie eigentlich nicht.
Phyllis sollte während der nun kommenden Jahre oft an sie denken und begreifen.
Steven kam; Andrew war ekstatisch. Pamela kam, und Andrew wurde zu dem typischen Bilderbuchvater, erfüllt von Liebe und Ungeschicklichkeit.
Wenn er Zeit dafür hatte.
Denn Andrew war daneben auch von Ungeduld erfüllt; Pace-Trevayne wuchs schnell – zu schnell, fand sie. Plötzlich war da die Last einer riesigen Verantwortung, begleitet von astronomischer Finanzierung. Sie war nicht überzeugt, daß ihr junger Ehemann das alles schaffen würde, und sie hatte unrecht. Er war nicht nur fähig, sondern auch imstande, sich dem wechselnden Druck anzupassen, dem immer größer werdenden Druck. Wenn er unsicher oder verängstigt war – und das war er häufig –, hörte er einfach auf und brachte alle anderen dazu, ebenfalls aufzuhören. Es war besser, einen Vertrag zu verlieren – so schmerzhaft das auch sein mochte – , als später zu bedauern, daß man ihn angenommen hatte.
Andrew vergaß nie, was er in jenem Gerichtssaal in Boston erlebt hatte. Ihm würde das nicht widerfahren.
Ihr Mann wuchs; sein Produkt füllte ein Vakuum, das dringend gefüllt werden mußte, und er manövrierte instinktiv, bis er sicher war, alle Vorteile auf seiner Seite zu haben. Einen fairen Vorteil, das war für Andy wichtig. Nicht notwendigerweise moralisch, nur wichtig, dachte Phyllis.
Aber sie wuchs nicht; nur die Kinder. Sie begannen zu sprechen, zu gehen, sie füllten unzählige Eimer mit Windeln und spuckten unermeßliche Mengen von Haferbrei und Bananen und Milch aus. Sie liebte sie mit enormer Freude und sah ihren ersten Jahren mit dem Glück des neuen Erlebens entgegen.
Und dann begann ihr alles zu entgleiten. Zuerst langsam, wie bei so vielen anderen. Auch das begriff sie.
Der erste Schultag lieferte den ersten Schock. Zuerst angenehm – das plötzliche Verstummen der schrillen, stets fordernden Stimmen. Das Schweigen, der Frieden; das wunderbare erste Alleinsein. Allein mit
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