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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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hatte, des Salzwassers, das auf seine frische Tätowierung gespritzt war, des dampfenden Tuchs, mit dem die Frau des Zweiten Maats seine vereiterten Wunden gesäubert hatte. An der Tür atmete er tief durch und klopfte.
    Sun Moon erschien fast augenblicklich. Sie trug einen losen Hausmantel, unter dem ihre Brüste frei schwangen. Einmal hatte er einen solchen Hausmantel schon gesehen, nämlich in Texas – dort hatte er im Bad seines Gästezimmers gehangen. Jener war weiß und flauschig gewesen, der von Sun Moon war verfilzt und voller alter Soßenflecken. Geschminkt war sie nicht, und die Haare fielen ihr offen über die Schultern. Ihr Gesicht war voller Vorfreude und Hoffnung, und plötzlich spürte er, wie die brutalen Ereignisse des Tages von ihm abfielen. Vergessen war der Kampf gegen ihren Mann. Vergessen war die Todesangst auf dem Gesicht des Lagerkommandanten. Wie weggewischt waren die unzähligen Menschen, die Mongnan auf Film gebannt hatte. Dieses Haus war ein gutes Haus, weiß angestrichen, mit roten Verzierungen. Es war das Gegenteil der Fabrikdirektorenvilla – hier war noch nie etwas Schlimmes passiert, das merkte man sofort.
    »Ich bin wieder da«, sagte er zu ihr.
    Sie blickte an ihm vorbei in den Garten.
    »Haben Sie ein Paket für mich?«, fragte sie. »Hat das Studio Sie geschickt?«
    Sie unterbrach sich, als sie merkte, dass etwas nicht stimmte – der schlanke Fremde in der Uniform ihres Mannes, ein Unbekannter, der aber dessen Rasierwasser benutzte und in seinem Auto fuhr.
    »Und wer sind Sie?«, fragte sie.
    »Ich bin Kommandant Ga«, sagte er. »Und jetzt bin ich endlich zu Hause.«
    »Heißt das, dass Sie mir kein Drehbuch bringen, gar nichts?«, fauchte sie ihn an. »Das Studio hat Sie so ausstaffiert und den Berg zu mir hochgeschickt, und Sie haben kein Drehbuch für mich? Richten Sie Dak-Ho aus, das ist herzlos, selbst für jemanden wie ihn. Jetzt ist er zu weit gegangen.«
    »Ich kenne keinen Dak-Ho«, erwiderte er, wobei er ihre ebenmäßige Haut und den auf ihn gerichteten, dunklen Blick bewunderte. »Du bist noch schöner, als ich dachte.«
    Sie löste den Gürtel ihres Hausmantels, um ihn fester zu knoten.
    Dann hob sie die Hände gen Himmel. »Warum wohnen wir bloß auf diesem verlassenen Berg?«, rief sie die Wolken an. »Warum sitze ich hier oben fest, wenn alles Wichtige da unten passiert?« Sie zeigte auf das weit unter ihnen liegende Pjöngjang, das um diese Tageszeit im Dunst verschwamm, ein Häusermeer rund um das silberne Y des Taedong. Sie trat dicht an Ga heran und blickte auf, direkt in seine Augen. »Warum können wir nicht am Mansu-Park wohnen? Von dort könnte ich mit dem Schnellbus ins Studio fahren. Wie können Sie so tun, als wüssten Sie nicht, wer Dak-Ho ist? Jeder weiß, wer das ist. Hat er Sie geschickt, um mich zu verspotten? Lachen die da unten alle über mich?«
    »Ich merke, dass du viel zu erdulden hattest«, sagte er. »Aber damit ist jetzt Schluss. Jetzt ist dein Mann zu Hause.«
    »Sie sind der schlechteste Schauspieler der Welt«, höhnte sie. »Die sitzen alle da unten fröhlich beisammen, stimmt’s? Sie sind betrunken und amüsieren sich und besetzen gerade die weibliche Hauptrolle mit einer anderen, und da sind sie auf die Idee gekommen, den schlechtesten Schauspieler der Welt zu mir hochzuschicken, um mich zu verspotten.«
    Sie ließ sich auf den Rasen fallen und legte theatralisch den Handrücken an die Stirn. »Gehen Sie. Verschwinden Sie.Los, Sie haben Ihren Spaß gehabt! Erzählen Sie Dak-Ho, wie die alte Schauspielerin geweint hat.« Sie wischte sich die Augen und holte ein Päckchen Zigaretten aus dem Hausmantel hervor. Schamlos zündete sie sich eine an – verwegen und verführerisch sah sie damit aus. »Nicht ein einziges Drehbuch! Ein ganzes Jahr ohne Drehbuch!«
    Sie brauchte ihn. Es war nicht zu übersehen, wie sehr sie ihn brauchte.
    Sie bemerkte, dass die Haustür einen Spaltbreit aufgegangen war und ihre Kinder herauslugten. Sie zog einen Pantoffel aus und schleuderte ihn in Richtung Tür, die schnell wieder zugeschoben wurde.
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung von Filmen«, sagte er. »Aber ich habe dir einen mitgebracht, ein Geschenk. Er heißt Casablanca und ist angeblich der beste Film der Welt.«
    Sie streckte die Hand aus und nahm ihm die schmutzige, abgestoßene DVD-Hülle ab. Sie warf nur einen kurzen Blick darauf. »Der ist schwarzweiß«, sagte sie und schleuderte die DVD quer durch den Garten. »Außerdem sehe ich mir

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