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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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machst du ausnahmsweise mal ein Foto von einem weiblichen Wesen.«
    »Wollen Sie einen amerikanischen Senator treffen?«, fragte Ga das Mädchen.
    Sie nickte verhalten.
    »Halten Sie hier unten die Augen auf«, ermahnte Ga sie. »Hier dürfen Sie nicht mehr mit geschlossenen Augen rudern. Immer schön dran denken, dann bringe ich Ihnen den Senator.«
    Das Mädchen zuckte zurück, als Kommandant Ga die Hand ausstreckte, um ihr die Haare aus dem Gesicht zu streichen, und mit panischem Blick starrte sie auf die Kamera, die sich surrend scharfstellte. Und dann kam der Blitz.

BEI IHRER ANKUNFT in der Abteilung 42 hatten unsere Praktikanten die Standardausrüstung erhalten – Arbeitskittel mit Knopfleiste vorn, Vernehmungskittel mit Knopfleiste hinten, Klemmbretter und die obligatorischen Brillen; die verleihen uns Autorität und intellektuelle Überlegenheit, mit der wir unsere Klienten gefügig machen. Die Pubjok erhalten Ausrüstungstaschen mit Folterutensilien – Schmirgelhandschuhe, Gummihammer, Magenschläuche und so weiter – und es stimmt, dass unsere Praktikanten einen enttäuschten Eindruck machten, als wir ihnen mitteilten, dass unser Team für so etwas keine Verwendung hat. Aber heute Abend drückten wir Jujack einen Bolzenschneider in die Hand, und er platzte fast vor Tatendrang. Und Q-Ki drückte so oft auf den Auslöser des ihr anvertrauten Elektroschockers, dass unser Aufenthaltsraum blau flackerte. Ich bin nicht gerade jemand, der in Yangban -Kreisen verkehrt. Ich konnte also nicht ahnen, als was für ein Zeitgenosse sich dieser Buc erweisen würde, aber ich war mir sicher, dass er ein wichtiges Kapitel zu unserer Biografie von Kommandant Ga beitragen würde.
    Dann setzten wir alle Stirnlampen und OP-Masken auf und knöpften uns gegenseitig die Kittel hinten zu, bevor wir die Leitern herunterstiegen, die ins Herz des Folterkellers führen. Als wir die Sicherung der Einstiegsluke zum Sumpf losdrehten, fragte Jujack: »Ist es wahr, dass alte Vernehmungsbeamte ins Lager geschickt werden?«
    Wir hörten auf zu kurbeln. »In einem haben die Pubjok recht«, sagten wir ihm. »Man darf niemals einen Klienten an sich heranlassen.«
    Als wir durch die Luke geklettert waren, sicherten wir sie hinter uns. Aus der Betonwand ragten Metallsprossen, auf denen wir tief hinab stiegen. Hier unten gab es vier riesige Pumpen, die das Wasser aus den noch tiefer gelegenen Bunkern abpumpten. Sie sprangen ein paar Mal pro Stunde an, immer nur für wenige Minuten, erzeugten dabei aber eine unwahrscheinliche Hitze und irrsinnigen Lärm. In diesem Bereich brachten die Pubjok widerspenstige Fälle unter, die mürbe gemacht werden sollten – mit der Zeit würden sie schon von Hitze und Luftfeuchtigkeit, von der unsere Brillen sofort beschlugen, weichgekocht werden. Um die dreißig Klienten waren an eine im Boden verankerte Stange gekettet, die durch den gesamten Raum lief. Der Boden war abschüssig, damit das Wasser ablaufen konnte, sodass die armen Schweine am unteren Ende in einer Pfütze lagen.
    Kaum jemand regte sich, als wir durch den Raum gingen. Warmes Wasser tröpfelte von der mit grünem Schleim überzogenen Decke. Wir drückten die Masken fest über Mund und Nase. Im vorigen Jahr hatte sich die Diphterie in den Sumpf geschlichen und alle Häftlinge einkassiert, und ein paar Vernehmungsbeamte dazu.
    Q-Ki hielt den Viehtreiber an die Eisenstange und jagte einen Stromstoß hindurch – da waren alle hellwach. Die meisten hielten sich instinktiv die Hände vors Gesicht oder rollten sich in Embryohaltung zusammen. Ein Mann, der am Ende der Stange in der Pfütze lag, richtete sich auf und brüllte vor Schmerz. Er trug ein zerfleddertes, nasses Oberhemd, Unterwäsche und an den Waden Strumpfhalter. Das war Genosse Buc.
    Wir gingen zu ihm und bemerkten die senkrechte Narbe über seinem linken Auge. Eine Platzwunde hatte die Augenbraue geteilt und war so schlecht verheilt, dass zwischen denbeiden Hälften jetzt eine Lücke klaffte. Welcher Mann heiratet denn eine Frau, die ihn nicht zusammenflicken kann?
    »Sind Sie Genosse Buc?«, fragten wir ihn.
    Buc schaute hoch, wurde aber von unseren Stirnlampen geblendet. »Wer seid ihr denn, die Nachtschicht?«, fragte er und gab ein schwaches, nicht besonders überzeugendes Lachen von sich. Dann nahm er in gespielter Ergebenheit die Hände hoch: »Ich gestehe, ich gestehe.« Doch aus seinem Lachen wurde ein langes Husten – ein sicheres Zeichen für gebrochene Rippen.
    Q-Ki hielt das

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