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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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ein paar alte Won. Er zog seine Stiefel aus. »Wenn du ihnen helfen willst«, erklärte Ga Sun Moon, »musst du ihnen Alltagsgegenstände geben, die sie auf dem Schwarzmarkt eintauschen können.«
    Der Junge und das Mädchen zogen ebenfalls die Schuhe aus, und Ga hielt der Familie seinen Gürtel hin. Sun Moon steuerte noch ein Paar Ohrringe bei. »Da hinten findet ihr einen Topf mit Suppe«, bot Sun Moon ihnen an. »Schmeckt gut. Folgt einfach dem Bachlauf. Den Topf könnt ihr behalten.«
    »Der Hund da«, sagte der Vater. »Ich dachte, der wäre aus dem Zoo ausgebrochen.«
    »Nein, der gehört uns«, antwortete Ga.
    »Sie haben nicht zufällig noch einen?«, fragte der Vater.
    *
    An diesem Abend summte Kommandant Ga mit, als Sun Moon die Kinder in den Schlaf sang. » Die Katze in der Wiege, das Baby im Baum «, sang sie. Als die beiden später auch im Bett lagen, sagte er ins Dunkel: »Ich muss dir die Wahrheit sagen.«
    »Ich bin Schauspielerin«, entgegnete sie. »Für mich zählt nichts als die Wahrheit.«
    Da er nicht hörte, dass sie sich auf die Seite rollte, wusste er, dass sie beide an dieselbe dunkle Decke starrten. Er hatte auf einmal Angst und verkrallte sich in die Laken.
    »Ich war noch nie in Wŏnsan«, sagte er. »Aber wir sind oft mit dem Schiff daran vorbeigefahren. Da stehen keine Sonnenschirme am Strand. Liegestühle oder Angelruten habe ich auch nicht gesehen. Da sind keine alten Leute. Ich weiß nicht, wohin die nordkoreanischen Großeltern gehen, aber nach Wŏnsan auf jeden Fall nicht.«
    Er horchte auf ihren Atem, hörte aber nichts.
    Endlich antwortete sie ihm.
    »Du bist ein Dieb«, zischte sie. »Du bist ein Dieb, der sich in mein Leben gestohlen und mir alles genommen hat, was mir wichtig war.«
    *
    Am nächsten Tag schwieg sie. Zum Frühstück schlachtete sie eine Zwiebel und servierte sie roh. Die Kinder bewiesen großes Geschick darin, sich still und leise in ein Zimmer zu verdrücken, in dem sie gerade nicht war. Einmal rannte Sun Moon schreiend hinaus in den Garten, warf sich zu Boden und weinte. Dann kam sie zurück ins Haus und beschimpfte den Lautsprecher. Dann warf sie alle hinaus, damit sie baden konnte, und Kommandant Ga, die Kinder und der Hund standen auf dem Rasen, starrten die Haustür an und hörten zu, wie sie wütend jeden Quadratzentimeter ihrer Haut schrubbte. Die Kinder liefen schon bald den Hang hinunter und spielten mit Brando »Fass!« und »Such!«, indem sie Melonenschalen zwischen die Bäume warfen.
    Kommandant Ga saß im Garten herum, als Genosse Buc zu ihm stieß. Buc hatte sein Ryoksong-Bier in einem kühlen, schattigen Wiesenfleck stehen. Er bot Ga eins an. Zusammen tranken sie und starrten hoch zu Sun Moons Balkon. Dort oben stand sie in ihrem Hausmantel und rauchte, wobei sie voller Zorn Zeilen aus Die größten Opfer sprach.
    »Was ist passiert?«, fragte Buc ihn.
    »Ich habe ihr die Wahrheit über etwas gesagt«, antwortete Ga.
    »Damit musst du aufhören. Das schadet der Gesundheit«, erwiderte Buc.
    Das Drehbuch in der einen Hand, erhob sie die andere zum Himmel. Mit der Zigarette im Mund versuchte sie den Zugang zu einer Zeile zu finden. Sie deklamierte:
    »Der wahre erste Ehemann aller Frauen ist der Große Führer Kim Il Sung!
    Der wahre erste Ehemann aller Frauen ist der Große Führer Kim Il Sung!
    Der wahre erste Ehemann aller Frauen ist der Große Führer Kim Il Sung!«
    »Hast du schon gehört, was der Geliebte Führer sich jetzt ausgedacht hat?«, fragte Buc ihn. »Er will den Amerikanern zeigen, wie man Tiere brandmarkt.«
    »Ha! Ich wette, die Rinder stehen schon Schlange, um sich freiwillig zu melden«, meinte Kommandant Ga.
    Als sie ihn lachen hörte, unterbrach Sun Moon ihre Probe, drehte sich um, schleuderte das Drehbuch im hohen Bogen vom Balkon und verschwand nach drinnen.
    Ga und Buc beobachteten, wie die Papierwolke zwischen die Bäume flatterte.
    Fassungslos schüttelte Genosse Buc den Kopf. »Die hast du aber richtig verärgert. Weißt du eigentlich, wie lange sie schon auf diesen Film wartet?«
    »Bald ist sie mich wieder los, und sie kann ihr normales Leben weiterführen«, antwortete Ga. Das klang traurig, auch wenn er das gar nicht wollte.
    »Das soll ja wohl ein Witz sein«, gab Buc zurück. »Der Geliebte Führer hat erklärt, dass du der echte Kommandant Ga bist. Jetzt kann er dich nicht mehr loswerden. Und warum auch? Sein Erzfeind ist weg.«
    Ga trank sein Bier.
    »Ich habe seinen Laptop gefunden«, sagte

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