Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
Vom Netzwerk:
unkompliziert?«
    »Ich glaube schon.«
    »Das reicht. Mehr will ich gar nicht wissen.« Donner grollte, und Buc blickte hoch zu den Wolken, um zu sehen, ob es schon wieder regnen würde. »Verrat mir nur eins – liebst du sie?«
    Liebe – das war ein gewichtiges Wort.
    »Wenn ihr etwas zustieße«, präzisierte Buc, »würdest du dann ohne sie weitermachen wollen?«
    Wie einfach war diese Frage doch – warum hatte er sie sich noch nicht selbst gestellt? Er spürte wieder ihre Hand auf seinem Tattoo, dachte daran, wie sie ihn letzte Nacht neben sich still hatte weinen lassen. Sie hatte nicht einmal die Flamme in der Lampe heruntergedreht, um seine Verletzlichkeit nicht ansehen zu müssen. Sie hatte nur ihren besorgten Blick auf ihm ruhen lassen, bis beide einschliefen.
    Ga schüttelte den Kopf.
    In der Ferne tauchten Autoscheinwerfer auf. Buc und Ga beobachteten, wie sich ein schwarzer Wagen durch die schlammigen Schlaglöcher kämpfte.
    Es war nicht die Karawane des Geliebten Führers. Als der Wagen näher kam, sahen sie, dass die Scheibenwischer noch in Bewegung waren – er kam also aus der Richtung, wo das Gewitter tobte.
    Buc wandte sich an Ga, er rückte nah heran. In seinen Worten lag Dringlichkeit. »Ich verrate dir, was ich darüber weiß, wie es in dieser Welt läuft. Solltest du zusammen mitSun Moon und den Kindern abhauen, gibt es vielleicht eine Chance, dass ihr es schafft, vielleicht .« Die ersten Tropfen fielen. Der Ochse senkte den Schädel. »Sollten es aber Sun Moon und die Kinder irgendwie in das Flugzeug schaffen, während du bei unserem Geliebten Führer stehst und seine Aufmerksamkeit auf dich ziehst, Ausreden findest, ihn ablenkst, dann werden sie es wahrscheinlich schaffen.« Und auf einmal war Schluss mit dem ewigen Grinsen und den Lachfalten um die Augen des Genossen Buc. Sein Gesicht zeigte auf einmal, dass er im Grunde ein sehr ernster Mensch war. »Gleichzeitig bedeutet das, dass du mit Sicherheit zur Stelle sein wirst, um den Preis dafür zu bezahlen – du selbst anstelle von treuen Bürgern, wie ich und meine Kinder es sind.«
    Ein einzelner Mann kam auf sie zu. Er war unverkennbar vom Militär, denn er machte keinerlei Anstalten, sich vor dem dichter fallenden Regen zu schützen, und seine Uniform wurde immer dunkler. Ga setzte seine Brille auf und spähte hindurch. Aus irgendeinem Grund ließen sich keinerlei Gesichtszüge ausmachen, aber die Uniform kannte er: Da kam ein Kommandant.
    Genosse Buc betrachtete die herannahende Gestalt. »Verdammt«, sagte er zu Ga. »Weißt du, was Dr. Song über dich gesagt hat? Er meinte, du hättest eine besondere Begabung – du könntest lügen, während du die Wahrheit sagst.«
    »Und warum sagst du mir das?«
    »Weil Dr. Song nicht mehr die Gelegenheit dazu hatte«, erwiderte Buc. »Und jetzt hör mir mal gut zu. Wahrscheinlich würdest du die Sache sowieso nicht ohne mich über die Bühne bringen. Aber wenn du hinterher noch da bist, wenn du dableibst und alles auf dich nimmst, dann helfe ich dir.«
    »Warum?«
    »Weil Kommandant Ga das Schlimmste getan hat, wasmir je angetan wurde. Und danach hat er weiter direkt nebenan gewohnt, und ich musste weiterhin auf derselben Etage arbeiten wie er. Ich musste mich vor ihn hinknien und seine Schuhgröße messen, als ich seine tollen japanischen Lederschuhe bestellt habe! Jedes Mal, wenn ich die Augen zugemacht habe, sah ich wieder vor mir, wie Ga sich auf mich gestürzt hat. Wenn ich mit meiner Frau im Bett lag, spürte ich sein Gewicht auf meinem Rücken. Dann bist du dahergekommen und hast ihn für mich erledigt. Als du kamst, war er verschwunden.«
    Genosse Buc verstummte, denn aus dem Regen tauchte das vernarbte Gesicht von Kommandant Park auf.
    »Na, hattet ihr mich vergessen?«, fragte er.
    »Ganz und gar nicht«, antwortete Ga. Dicke Regentropfen zeichneten die Schrunden in Parks Gesicht nach, und Ga fragte sich, ob Park vielleicht dem entstellten Mann im Drehbuch des Geliebten Führers als Vorbild gedient hatte.
    »Die Situation hat sich verändert«, verkündete Kommandant Park. »Ich werde hier mit Genosse Buc die Inventarliste abhaken.« Dann fixierte er Ga: »Und du, du wirst deine Instruktionen vom Geliebten Führer höchstpersönlich entgegennehmen. Und wenn wir das hier alles hinter uns haben, ergibt sich für uns beide vielleicht Gelegenheit, unsere alte Freundschaft wieder aufzufrischen.«
    *
    »Ah, du kommst geradewegs aus Texas«, sagte der Geliebte Führer, als er die

Weitere Kostenlose Bücher