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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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nicht passiert.«
    »Ja, und der gute Dr. Song, der immer alles richtig gemacht hat – schau dir an, was mit dem passiert ist.«
    Buc wandte sich ab, und Ga erriet, dass er nicht über seinen alten Freund sprechen wollte.
    Ga wurde deutlicher: »Du hast Familie, Buc. Du solltest ein wenig Abstand zwischen dich und diese Sache bringen.«
    »Aber du brauchst mich noch«, erwiderte Buc. »Und ich brauche dich.« Er ging zur Feuerstelle hinüber und wuchtete das Brandeisen des Geliebten Führers heraus, das gerade heiß zu werden begann. Mühsam hielt er es mit beiden Händen hoch, sodass Ga es betrachten konnte. Auf Englisch stand dort, in Spiegelschrift: EIGENTUM DER DEMOKRATISCHEN VOLKSREPUBLIK KOREA. Mit seinen großen Lettern war das Brandeisen fast einen Meter breit. Rotglühend würde es die komplette Breitseite des Tieres versengen.
    »Die Leute in der Gießerei haben dafür eine ganze Woche gebraucht«, meinte Buc.
    »Und was ist damit?«
    » Was ist damit? « Buc klang leicht gereizt. »Ich kann kein Englisch! Verrate du mir, ob es richtig geschrieben ist.«
    Kommandant Ga las die Buchstaben sorgfältig rückwärts. »Alles richtig.« Dann schlüpfte er durch die Zaunplanken und ging zu dem Ochsen hinüber, der mit einem Nasenring angeleint war. Er fütterte das gewaltige Tier mit Brunnenkresse aus einem Bottich und rieb ihm die schwarze Stirn zwischen den Hörnern.
    Genosse Buc kam herbei, und die Nervosität, mit der er das große Tier betrachtete, zeigte deutlich, dass er noch nie zum Ernteeinsatz abkommandiert worden war.
    »Ich habe dir doch erzählt, wie ich Kommandant Ga im Bergwerk besiegt habe.«
    Buc nickte.
    »Er lag nackt auf dem Boden, und er sah ziemlich tot aus. Eine Kameradin meinte, ich sollte ihm einen Felsbrocken auf den Kopf fallen lassen.«
    »Weiser Rat.«
    »Aber ich habe es nicht fertiggebracht. Und jetzt kommt mir ständig der Gedanke – nun ja ...«
    »... dass Kommandant Ga noch lebt? Unmöglich. Wäre er noch am Leben, dann wüssten wir das. Wir hätten ihn längst im Nacken.«
    »Ich weiß, dass er tot ist«, sagte Ga. »Nur – ich werde das Gefühl nicht los, dass sich etwas Schlimmes anbahnt. Du hast Familie, denk dran.«
    »Irgendwas willst du mir nicht verraten, stimmt’s?«, fragte Buc.
    »Ich will dir nur helfen«, antwortete Ga.
    »Du hast was vor, das spüre ich«, sagte Buc. »Was heckst du aus?«
    »Nichts«, meinte Ga. »Vergiss einfach, was ich gesagt habe.«
    Buc nahm ihn am Arm. »Du musst es mir sagen«, sagte er.»Hör zu. Als die Krähe kam, habe ich euch in mein Haus geholt, ihr durftet an unserem Ausstiegsplan teilhaben. Ich habe niemandem deine wahre Identität verraten. Ich habe dir meine Pfirsiche gegeben. Wenn du irgendetwas vorhast, dann musst du es mir sagen.«
    Ga schwieg.
    »Wie du schon sagtest – ich habe Familie. Und? Wie soll ich sie schützen, wenn du mich nicht einweihst?«, forderte Buc.
    Kommandant Ga blickte um sich – die Ranch, die Pistolen, die Limonadenkrüge, die Geschenkkörbe auf den Picknicktischen. »Wenn das Flugzeug der Amerikaner wieder abhebt, sitzen wir mit drin – Sun Moon, die Kinder und ich.«
    Genosse Buc zuckte erschrocken zusammen. »Nein, nein, nein! Man verrät so etwas niemandem, niemals! Weißt du das nicht? Man verrät es nie! Nicht seinen Freunden, nicht seiner Familie, und ganz besonders nicht mir. Das kann für jeden von uns den Tod bedeuten. Wenn sie mich verhören, bekommen sie heraus, dass ich Bescheid wusste. Falls du es überhaupt schaffst. Hast du eine Ahnung, was für eine nette Beförderung ich bekäme, wenn ich dich auffliegen lasse?« Buc hob beschwörend die Hände. »Man verrät es unter keinen Umständen. Niemand tut das. Niemals.«
    Kommandant Ga streichelte dem Ochsen den schwarzen Hals und klopfte auf das speckige Fell, dass es staubte. »Von diesem Brandeisen wird das Vieh wahrscheinlich krepieren. Das würde auf die Amerikaner keinen so guten Eindruck machen.«
    Genosse Buc war dabei, die Angelruten an einem Baum aufzustellen. Seine Hände zitterten. Als er bei der letzten Rute angelangt war, verhedderte sich eine Schnur, und alle fielen wieder um. Er warf Ga einen vorwurfsvollen Blick zu, als seidas seine Schuld. »Aber du«, sagte er, »du musst es natürlich verraten.« Er schüttelte den Kopf. »Du bist wirklich anders als andere Leute. Irgendwie gelten für dich andere Regeln, und genau deshalb wäre es möglich, dass du es schaffst.«
    »Glaubst du das?«
    »Ist dein Plan

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