Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
Vom Netzwerk:
schlammverkrusteten Stiefel an Kommandant Gas Füßen sah. »Was hältst du davon? Wirkt die Ranch überzeugend?«
    Der Geliebte Führer stand in einem tief unter der Erdegelegenen weißen Korridor und versuchte sich zu entscheiden, welche von zwei identischen Türen er öffnen sollte. Als er schließlich die Hand ausstreckte, summte der Türöffner, und Ga hörte ein elektronisches Schloss aufschnappen.
    »Es war beinahe unheimlich«, antwortete Ga. »Als betrete man den Wilden Westen.«
    Ga summten noch die Ohren von dem rasanten Abstieg im Fahrstuhl. Durch die feuchte Uniform hindurch drang ihm die unterirdische Kälte bis in die Knochen. In welcher Tiefe er sich hier unter Pjöngjang befand, hätte er nicht zu sagen vermocht. Die hellen Leuchtstoffröhren kamen ihm bekannt vor, ebenso die weißen Betonwände, aber er hatte keine Ahnung, ob sie sich auf derselben Ebene befanden wie beim letzten Mal.
    »Leider«, sagte der Geliebte Führer, »werde ich es mir vielleicht gar nicht anschauen können.«
    Der Raum war angefüllt mit silbernen und bronzenen Präsenten, Auszeichnungen, Ziertellern und Gedenktafeln, ein jedes Stück mit einer blanken Fläche, wo je nach Anlass etwas eingraviert werden konnte. Der Geliebte Führer umfasste ein Rhinozeroshorn, eine von zwei Buchstützen. »Mugabe schickt die in regelmäßigen Abständen«, erklärte er. »Die Amerikaner würden kochen vor Zorn, wenn wir sie mit einem solchen Pärchen überraschen. Das aber bringt mich zu meiner Frage: Womit beschenkt man einen Gast, der eine weite Reise auf sich nimmt, um jemanden zu besuchen, sich der angebotenen Gastfreundschaft aber verweigert?«
    »Ich kann Ihnen leider nicht ganz folgen«, meinte Ga.
    Der Geliebte Führer befühlte die Spitze des Horns. »Die Amerikaner haben uns wissen lassen, dass es nun doch kein offizieller Auslandsbesuch sein wird. Wir werden einen Austausch vornehmen , sagen sie jetzt, und der soll auf dem Flughafen stattfinden. Sie verlangen, dass wir unser hübsches Rudermädchen dort hinbringen, und da, auf der Startbahn, wollen sie dann zurückgeben, was sie mir gestohlen haben – vorausgesetzt, wir sorgen für einen Gabelstapler.«
    Plötzlich war Ga gekränkt. »Sie wollen unseren Maiskuchen nicht probieren und nicht mit unseren Pistolen schießen?«
    Die Lachfältchen des Geliebten Führers verschwanden, und als er Ga ansah, war sein Blick so ernst, dass ein Fremder darin gar Trauer gelesen hätte. »Sie nehmen mir etwas weg, woran ich wirklich hänge.«
    »Was ist mit unserer texanischen Ranch?«, fragte Ga den Geliebten Führer. »Wir haben sie fertig, bis ins letzte Detail.«
    »Zerlegt sie und transportiert sie zum Flughafen«, bekam er zur Antwort. »Verstaut sie in einem Hangar, sodass wir darauf zugreifen können, falls wir plötzlich doch etwas davon gebrauchen können.«
    »Alles? Auch die Schlangen und die Flussaale?«
    »Ihr habt Aale? Jetzt bedaure ich wirklich, dass ich das Ganze verpasse.«
    Ga versuchte sich vorzustellen, wie man wohl die Feuerstelle für das Brandeisen auseinandernahm und transportierte. Wie liebevoll hatten sie das monströse Gerät fabriziert, und er mochte sich einfach nicht vorstellen, dass es zusammen mit der handgemalten seidenen Texasflagge auf Nimmerwiedersehen im Requisitenlager des Filmstudios verschwinden sollte.
    »Nennen die Amerikaner einen Grund?«
    Der Blick des Geliebten Führers wanderte systematisch durch den Raum; Ga wusste, dass er nach einem Geschenk suchte, das dieser Demütigung angemessen war. »Die Amerikaner sagen, in zwei Tagen gebe es ein Zeitfenster, dann seien keine japanischen Spionagesatelliten über uns im Orbit. Die Amerikaner haben die Befürchtung, die Japaner könnten höchst ungehalten reagieren, wenn sie herausfinden ... Ach, scheiß auf sie!«, platzte es aus dem Geliebten Führer heraus. »Ist diesen Barbaren denn nicht klar, dass auf meinem Grund und Boden nach meinen Regeln gespielt wird?! Wissen sie nicht, dass sie meinem gewaltigen Pflichtgefühl nichts als Dank schulden, sobald ihr Flugzeug diesen Boden berührt?«
    »Ich weiß ein Geschenk«, sagte Kommandant Ga.
    Der Geliebte Führer beäugte ihn misstrauisch.
    »Als unsere Delegation Texas verließ, warteten am Flughafen zwei Überraschungen auf uns.«
    Der Geliebte Führer schwieg.
    »Zwei Paletten waren dort aufgebaut. Die eine war mit Lebensmitteln beladen.«
    »Eine Palette voller Lebensmittel? Davon stand nichts in dem Bericht, den ich gelesen habe. Niemand hat das

Weitere Kostenlose Bücher