Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
Vom Netzwerk:
zugegeben.«
    »Die Lebensmittel kamen nicht von dem Senator, sondern von seiner Kirche. Tonnen mit Mehl, Zweizentnersäcke Reis, Jutesäcke voller Bohnen – alles aufeinandergetürmt und fest mit Plastik umwickelt.«
    »Lebensmittel?«, fragte der Geliebte Führer.
    Ga nickte.
    »Erzähl weiter«, forderte der Geliebte Führer.
    »Auf der zweiten Palette lagen Miniaturbibeln, Tausende, alle in Plastik eingeschweißt.«
    »Bibeln«, wiederholte der Geliebte Führer.
    »Ganz kleine, mit grünem Kunststoffeinband.«
    »Wie ist es möglich, dass ich davon nichts gehört habe?«
    »Natürlich haben wir das alles nicht angenommen, wir haben es auf der Startbahn zurückgelassen.«
    » Auf der Startbahn «, sagte der Geliebte Führer.
    »Und sie hatten noch etwas«, erklärte Kommandant Ga. »Einen Hund, einen Welpen. Die Frau des Senators hat ihn uns persönlich überreicht, er stammte aus ihrer eigenen Zucht.«
    »Hungerhilfe«, sagte der Geliebte Führer, und sein Blick huschte umher, während sein Geist ratterte. »Bibeln. Ein Hund.«
    »Die Lebensmittel stehen schon bereit«, sagte Ga.
    »Und was ist mit den Bibeln?«
    Ga lächelte. »Ich kenne einen Autor, dessen Betrachtungen zur Oper in sämtlichen zivilisierten Ländern Pflichtlektüre sein sollten. Tausend Exemplare dürften sich problemlos auftreiben lassen.«
    Der Geliebte Führer nickte. »Und der Hund, welches koreanische Schoßtier würde dem entsprechen? Ein Tiger vielleicht? Eine gewaltige Schlange?«
    »Warum schenken wir ihnen nicht auch einen Hund – wir sagen, es sei der Hund vom Senator, und wir würden ihn zurückgeben, weil er eigennützig, faul und materialistisch ist.«
    »Wir brauchen dazu den bösartigsten, furchterregendsten Köter im ganzen Land«, begeisterte sich der Geliebte Führer. »Er muss das Blut der Paviane im Zoo von Pjöngjang geleckt und an den Knochen halbverhungerter Gefangener in Lager 22 genagt haben.« Der Blick des Geliebten Führers ging in weite Ferne, als befände er sich nicht am Grunde einer Bunkeranlage, sondern in einem Flugzeug und sehe dabei zu, wie der Senator während des ganzen sechzehnstündigen Rückflugs nach Texas von einem wütenden Hund zerfleischt wurde.
    »Ich weiß genau den richtigen Hund dafür«, meinte Kommandant Ga.
    »Übrigens«, sagte der Geliebte Führer. »Du hast meinem Fahrer die Nase gebrochen.«
    »Der Knochen wird umso stärker heilen«, gab Ga zurück.
    »So spricht ein echter Nordkoreaner«, schloss der Geliebte Führer. »Komm mit, Kommandant, ich wollte dir schon lange etwas zeigen.«
    *
    Sie begaben sich in einen anderen Raum auf einer anderen Ebene, die haargenau aussah wie die erste. Ga wusste, dass diese Gleichförmigkeit ein mögliches Einfallkommando verwirren sollte, aber war die Auswirkung auf diejenigen, die dies tagein, tagaus erdulden mussten, nicht wesentlich schlimmer? In den Gängen spürte er die Anwesenheit der Sicherheitskräfte, die immer außer Sicht blieben, sodass der Geliebte Führer ewig allein zu sein schien.
    In dem Raum stand ein Tisch und darauf nichts als ein Computerbildschirm, auf dem der grüne Cursor blinkte. »Hier ist das Gerät, das zu zeigen ich dir versprochen hatte«, erklärte der Geliebte Führer. »Hast du dich insgeheim schon geärgert, dass ich dich so lange habe warten lassen?«
    »Ist das der Zentralrechner?«, fragte Ga.
    »Genau«, sagte der Geliebte Führer. »Wir hatten auch mal eine Attrappe, aber die haben wir nur bei Verhören eingesetzt. Dieser hier enthält die wichtigsten Angaben über jeden einzelnen Bürger – Geburts- und Sterbedatum, den gegenwärtigen Aufenthaltsort, Familienangehörige und so weiter. Wenn man den Namen eines Staatsbürgers eintippt, gehen alle Daten direkt an eine Sonderabteilung, und die schickt sofort eine Krähe los.«
    Der Geliebte Führer dirigierte den Kommandanten auf den Stuhl. Vor sich hatte er nichts als den schwarzen Bildschirm und den schmalen, grün blinkenden Cursor. »Da sind alle drin?«, fragte Ga.
    »Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind«, bestätigte der Geliebte Führer. »Wenn in diesen Rechner ein Name eingegeben wird, wird er direkt an unser bestes Team weitergeleitet. Die Leute arbeiten blitzschnell. Die fragliche Person wird sofort aufgesucht und abgeholt. Wir erreichen jeden.«
    Der Geliebte Führer drückte auf einen Knopf, und auf dem Bildschirm erschien eine Zahl: 22.604.301.
    Er drückte den Knopf erneut, und die Zahl veränderte sich: 22.604.302.
    »Werde Zeuge des Wunders des

Weitere Kostenlose Bücher