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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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es uns nicht gesagt.«
    *
    Kaum waren wir die Treppe zur Abteilung 42 hinuntergestiegen, da marschierte Q-Ki zu Sarge.
    »Jujack hält was zurück«, sagte sie. »Er weiß was zum Fall Kommandant Ga, was er uns nicht verrät.«
    Sarge schaute ernst drein. Forschend betrachtete er erst Q-Ki, dann Jujack.
    »Das ist eine schwere Anschuldigung«, sagte Sarge schließlich. »Hast du Beweise?«
    Q-Ki wies auf ihr Herz. »Ich fühle es«, sagte sie.
    Sarge überlegte und nickte dann. »In Ordnung«, sagte er. »Holen wir die Wahrheit aus ihm raus.«
    Zwei Pubjok griffen sich Jujack.
    »Langsam!«, sagte ich und trat dazwischen. »Nicht so schnell. Ein ›Gefühl‹ ist kein Beweis.«
    Ich legte Jujack die Hand auf die Schulter. »Sagen Sie die Wahrheit, Junge«, forderte ich ihn auf. »Sagen Sie uns einfach, was Sie wissen, dann können Sie mit meiner Unterstützung rechnen.«
    Jujack sah zu Boden. »Ich weiß gar nichts, wirklich nicht.«
    Alle blickten Q-Ki an. »Verlassen Sie sich nicht auf mein Gefühl«, sagte sie. »Schauen Sie ihm in die Augen. Da können Sie es ablesen.«
    Sarge beugte sich vor und blickte dem Jungen in die Augen. Ewig lange starrte er ihn einfach nur an. Dann nickte er und sagte: »Nehmt ihn mit.«
    Als zwei Pubjok ihre Hände schwer auf Jujack legten, füllte sich sein Blick mit Entsetzen.
    »Warten Sie!«, sagte ich, doch die Schwebende Mauer war nicht aufzuhalten. Im Nu schleiften sie den strampelnden Jujack in Richtung Werkstatt.
    Jujack schrie: »Ich bin der Sohn eines Ministers!«
    »Heb dir das für deine Biografie auf«, rief Sarge ihm lachend hinterher.
    Ich sagte: »Da muss ein Fehler vorliegen.«
    Sarge schien mich gar nicht zu hören. »Scheißverräter«, meinte er kopfschüttelnd. Dann wandte er sich an Q-Ki: »Gute Arbeit. Zieh deinen Vernehmungskittel an. Du holst die Wahrheit aus ihm raus.«
    *
    Jujack verheimlichte uns etwas, und die einzige Person, die darüber Bescheid wissen könnte, war Kommandant Ga. Ich rannte zu der Zelle, in der er untergebracht war. Drinnen stand Ga mit nacktem Oberkörper vor der Wand aus Edelstahl und starrte sein Spiegelbild an.
    Ohne mir den Blick zuzuwenden, sagte er: »Wissen Sie, ich hätte das Bild umgekehrt tätowieren lassen sollen.«
    »Es gibt einen Notfall«, sagte ich. »Mein Praktikant, Jujack, steckt in Schwierigkeiten.«
    »Aber damals hatte ich keine Ahnung«, sagte Ga. »Ich kannte mein Schicksal nicht.« Er drehte sich zu mir um und zeigte auf die Tätowierung. »Sie sehen sie so, wie sie aussieht. Ich aber bin gezwungen, sie falsch herum zu sehen. Ich hättedas Bild andersherum stechen lassen sollen. Aber damals dachte ich, es wäre für andere gedacht. In Wirklichkeit war sie die ganze Zeit für mich bestimmt.«
    »Ich brauche eine Auskunft«, sagte ich. »Es ist wirklich wichtig.«
    »Warum wollen Sie unbedingt meine Biografie schreiben?«, fragte Kommandant Ga. »Die einzigen Leute auf der Welt, die sie lesen würden, sind nicht mehr da.«
    »Ich muss nur eine einzige Sache wissen. Es geht um Leben oder Tod«, sagte ich. »Wir sind zu der Militärbasis gefahren, an der Straße nach Namp'o, aber da war kein Pferch, keine Feuerstelle, kein Ochse. Ich weiß, dass Sie dort ein Dorf gebaut haben, damit sich die Amerikaner wie zu Hause fühlen. Aber die Schauspielerin war nicht da. Da war absolut nichts.«
    »Ich habe es Ihnen doch gesagt: Sie werden sie nie finden.«
    »Aber wo waren der Picknicktisch und der Planwagen?«
    »Die haben wir weggebracht.«
    »Wohin?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Aber warum nicht, warum?«
    »Weil nur dieses Geheimnis den Geliebten Führer daran erinnert, dass das Ganze tatsächlich passiert ist – dass tatsächlich etwas geschehen ist, worüber er keine Kontrolle hatte.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Das sollte man ihn einmal fragen.«
    »Aber hier geht es nicht um den Geliebten Führer, hier geht es um einen Bengel, der einen Fehler gemacht hat.«
    »Außerdem ist dieses Geheimnis das Einzige, was mich am Leben erhält.«
    Ich appellierte an seine Vernunft. »Sie werden so oder so nicht überleben«, sagte ich.
    Er nickte zustimmend. »Das wird keiner von uns«, gab er zurück. »Haben Sie einen Plan? Haben Sie Vorkehrungen getroffen? Noch haben Sie Zeit, noch können Sie selbst die Art und Weise bestimmen.«
    »In der Zeit, die Ihnen noch bleibt«, sagte ich, »können Sie diesen Jungen retten, Sie können Buße tun für die schrecklichen Dinge, die Sie der Schauspielerin angetan haben.«

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