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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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Ich zog das Mobiltelefon aus der Tasche. »Die Bilder, die auf diesem Telefon erscheinen – sind die für Sie gedacht?«
    »Was für Bilder?«
    Ich schaltete das Telefon ein und ließ ihn den blauen Schein des Displays sehen.
    »Das muss ich haben«, erklärte er.
    »Dann helfen Sie mir«, sagte ich.
    Ich hielt ihm das Telefon vors Gesicht und zeigte ihm das Bild von dem Stern im Bürgersteig.
    Er nahm mir das Gerät aus der Hand. »Die Amerikaner haben sich der Gastfreundschaft des Geliebten Führers verweigert«, sagte er. »Sie wollten nicht von ihrem Flugzeug fort, also haben wir das texanische Dorf zum Flughafen verlegt.«
    »Danke«, sagte ich, und wollte gerade zur Tür heraus, als die aufflog.
    Q-Ki stand auf der Schwelle, die übrigen Pubjok drängten sich hinter ihr. Ihr Kittel war blutverschmiert. »Sie haben es an den Flughafen verlegt«, verkündete sie. »Dort ist der Filmstar verschwunden.«
    »Schon logisch, dass er wusste, was auf dem Flughafen ablief«, sagte ein Pubjok. »Schließlich ist sein Papa der Verkehrsminister.«
    »Was ist mit Jujack?«, verlangte ich zu wissen. »Wo ist er, was ist mit ihm passiert?«
    Q-Ki antwortete nicht. Sie blickte Sarge an, der billigend nickte.
    Q-Kis Blick wurde hart, dann wandte sie sich den in der Türöffnung versammelten Pubjok zu. Sie nahm eine Taekwondo-Stellung ein. Die Männer wichen zurück und ließen ihr einen Moment Zeit, um sich zu sammeln. Dann sprachen sie gemeinsam: Junbi! und zählten: hana ... dul ... set ... Sijak! Auf das Kommando schlug Q-Ki mit der Hand gegen den Türrahmen aus Edelstahl.
    Sie atmete bebend ein und schnappte nach Luft. Langsam drückte Q-Ki die gebrochene Hand an ihre Brust und legte schützend die andere Hand darum.
    Grundsätzlich erfolgt der erste Bruch an der Oberseite der Handkante. Später bleibt noch immer genügend Zeit, die Knöchel zu brechen, immer zwei auf einmal.
    Ruhig und fürsorglich fasste Sarge ihren Arm und streckte ihn; die gebrochene Hand lag dabei in seiner. Sehr vorsichtig umspannte er mit der einen Hand fest ihr Handgelenk; dann fasste er mit der anderen die beiden äußeren Finger. »Du gehörst jetzt zu uns«, sagte er. »Du bist keine Praktikantin mehr. Du brauchst jetzt keinen Namen mehr«, fügte er hinzu und zog dabei mit einem kräftigen Ruck an ihren Fingern, sodass sich die gebrochenen Knochen ausrichteten. Nun konnten sie sauber verheilen.
    Sarge nickte mir zu, um seinen Respekt zum Ausdruck zu bringen. »Ich war dagegen, eine Frau in der Abteilung zu haben«, erklärte er. »Aber du hattest recht – sie ist die Zukunft.«

ES WAR NACHMITTAG , das Sonnenlicht strömte hell, aber ohne Wärme zu den Fenstern herein. Kommandant Ga saß zwischen dem Jungen und dem Mädchen; alle drei beobachteten Sun Moon, die ruhelos im Haus umherwanderte. Immer wieder nahm sie Gegenstände in die Hand und betrachtete sie, als sähe sie sie zum ersten Mal. Der Hund folgte ihr, schnupperte an allem, was sie berührte – einem Handspiegel, einem Sonnenschirm, dem Wasserkessel in der Küche. Es war der Tag, bevor die Amerikaner eintreffen sollten, der Tag vor der Flucht, auch wenn die Kinder das nicht wussten.
    »Was ist los mit ihr?«, fragte der Junge. »Wonach sucht sie?«
    »So benimmt sie sich, bevor sie mit einem neuen Film anfängt«, sagte das Mädchen. »Gibt es einen neuen Film?«
    »Etwas in der Art«, antwortete Ga.
    Sun Moon trat zu ihm, ein handbemaltes Janggi -Brett in der Hand. Ihr Gesichtsausdruck sagte: Wie kann ich das zurücklassen? Er hatte ihr erklärt, dass sie nichts mitnehmen konnten, dass das kleinste Andenken ihren Plan verraten würde.
    »Mein Vater«, sagte sie. »Das ist das Einzige, was ich von ihm habe.«
    Er schüttelte den Kopf. Wie konnte er ihr erklären, dass es so besser war? Zwar konnte ein Gegenstand eine Person verkörpern, man konnte mit einem Foto sprechen, einen Ring küssen oder einem weit entfernten Menschen eine Stimme geben, indem man in eine Mundharmonika blies. Aber Fotos konnten verloren gehen. Ein Dieb konnte einem den Ringvom Finger ziehen, während man im Gemeinschaftssaal schlief. Ga hatte beobachtet, wie ein alter Mann von einem Augenblick zum nächsten jeden Lebenswillen verloren hatte, nachdem ein Gefängniswärter ihm ein Medaillon abgenommen hatte. Nein, die Menschen, die man liebte, musste man an einem sichereren Ort bewahren. Sie mussten so fest mit einem verbunden sein wie eine Tätowierung, die niemand stehlen konnte.
    »Nichts als die Kleider, die

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