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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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Senator hielt ihn zurück.
    »Nein«, sagte der Senator. Er zeigte auf Jun Do. »Er.«
    Jun Do sah Wanda fragend an, die achselzuckend nickte. Tommy hatte die Arme vor der Brust verschränkt und blickte selbstzufrieden drein.
    Jun Do setzte sich in das Cabriolet. Der Senator ließ sich neben ihm nieder, ihre Schultern berührten sich fast, und sie rollten langsam den Schotterweg hinunter.
    »Wir haben erst gedacht, dass der Redselige den Stummen manipuliert«, sagte der Senator kopfschüttelnd. »Und nun stellt sich heraus, dass Sie der sind, der die Strippen zieht. Auf was für Ideen kommt ihr Leute nur? Und ihn dann mit richtig und nicht wahr am Satzende zu manipulieren – für wie dumm haltet ihr uns eigentlich? Ich weiß, dass ihr immer schön eure Trümpfe ausspielt, von wegen unterentwickeltes Land und Sonst stecken sie mich in den Gulag . Aber warum kommen Sie um die halbe Welt nach Texas geflogen, nur um dann hier so zu tun, als ob Sie ein Nobody wären? Warum diese blödsinnige Story von den Haifischzähnen? Und was zum Teufel macht ein Minister für Gefängnisbergwerke überhaupt?«
    Je länger der Senator sprach, desto stärker machte sich sein texanischer Dialekt bemerkbar; Jun Do konnte nicht jedes Wort verstehen, merkte aber am Tonfall haargenau, was der Senator meinte.
    »Ich kann alles erklären«, beschwichtigte ihn Jun Do.
    »Nur zu. Ich höre«, erwiderte der Senator.
    »Es ist wahr«, sagte Jun Do. »Der Minister ist nicht wirklich ein Minister.«
    »Sondern?«
    »Dr. Songs Fahrer.«
    Der Senator lachte fassungslos. »Gütiger Himmel!«, sagte er. »Ist euch eigentlich überhaupt schon einmal in den Sinn gekommen, fair mit uns zu verhandeln? Ihr wollt nicht, dass wir eure Fischerboote entern, okay, darüber kann man reden. Wir setzen uns zusammen. Wir schlagen vor, dass ihr keine Fischerboote einsetzt, um Falschgeld, Heroin, Bauteile für eure Taepodong-Rakete und so weiter zu schmuggeln. Wir gelangen zu einer Einigung. Stattdessen aber vergeude ich meine Zeit und rede mit den Deppen, während Sie sich die Gegend angucken, oder was haben Sie hier eigentlich gemacht?«
    »Mal angenommen, Sie hätten mit mir verhandelt«, sagte Jun Do, obwohl er keine Ahnung hatte, worüber der Senator redete. »Was hätten Sie dann von mir gewollt?«
    »Hm, was würde ich wollen?«, fragte der Senator zurück. »Ich weiß ja nicht einmal, was ihr zu bieten hättet. Wir würden etwas richtig Handfestes wollen, etwas, das man sich an die Wand nageln kann. Und es müsste ordentlich was wert sein. Jeder müsste sehen können, dass es eurem werten Führer richtig weh getan hat.«
    »Und für so etwas würden Sie uns dann geben, was wir wollen?«
    »Die Fischerboote? Ja klar, die können wir in Ruhe lassen, aber warum sollten wir das tun? Die haben doch eins wie das andere den Bauch voller Unheil und sind auf nichts als Ärger aus. Aber das Spielzeug des Geliebten Führers?« Der Senator pfiff durch die Zähne. »Das ist ein völlig anderes Kaliber.Wenn wir euch das zurückgeben, können wir genauso gut dem japanischen Premier an den Pfirsichbaum pinkeln.«
    »Aber Sie geben zu«, wandte Jun Do ein, »dass der Gegenstand, den Sie in Ihrem Besitz haben, dem Geliebten Führer gehört?«
    »Die Gespräche sind gelaufen«, antwortete der Senator. »Die waren gestern und haben rein gar nichts gebracht.«
    Der Senator nahm den Fuß vom Gas.
    »Eine Sache wäre da allerdings noch, Kommandant«, sagte der Senator, wobei er den Wagen am Straßenrand ausrollen ließ. »Und die hat nichts mit den Verhandlungen oder den Spielchen zu tun, die ihr hier spielt.«
    Der Mustang kam neben ihnen zum Stehen. Wanda saß auf dem Beifahrersitz und ließ die Hand aus dem Fenster hängen. »Alles klar bei euch beiden?«, fragte sie den Senator.
    »Ja, ja, wir klären nur noch ein paar Dinge«, sagte der Senator. »Wartet nicht auf uns – wir kommen gleich nach.«
    Wanda schlug mit der flachen Hand aufs Blech, und Tommy fuhr weiter. Jun Do konnte nicht erkennen, ob Dr. Song auf dem Rücksitz die Stirn aus Furcht oder aus Zorn über seine Degradierung gerunzelt hatte.
    »Es ist doch so«, sagte der Senator und sah Jun Do durchdringend an. »Wanda hat mir gesagt, Sie hätten so einiges verbrochen und viel Blut an den Händen. Sie haben in meinem Bett geschlafen, Sie sind mit meinen Leuten umgegangen – Sie, ein Mörder. Man hört ja, dass ein Menschenleben dort, wo Sie herkommen, nicht viel wert ist. Mir hingegen sind alle Menschen, denen Sie

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