Das geraubte Paradies
aufgespannt war. Zahlreiche farbige Wimpel standen darauf, die vermutlich Einheiten darstellten.
Doch Jonan hatte keine Zeit, einen genaueren Blick auf den Schlachtplan zu werfen, denn in der Mitte des Zelts erwartete sie bereits der Mondkaiser selbst, begleitet von zwei, ihren reich verzierten Uniformen nach zu urteilen hochrangigen Offizieren. Wie die übrigen Anwesenden hatte der Kaiser eine Galauniform in Mitternachtsblau an. Darüber trug er eine silberne Schärpe. Außerdem lag ein Umhang mit hohem Kragen um seine Schultern, und ein leichter, silberblauer Helm umschloss seinen Kopf, der vorne in die berühmte Silbermaske überging, die der Kaiser in der Öffentlichkeit immer trug.
In einer Geste des Willkommens breitete er die Arme aus. »Paladin Alecander, Großinquisitor Aidalon, so sehen wir uns wieder. Es ist mir eine große Freude und Ehre, Gastgeber dieser historischen Begegnung sein zu dürfen.«
Alecander, Aidalon, Palladio und Iudicaton traten näher und verbeugten sich vor dem Kaiser. Die Templereskorte postierte sich neben dem Eingang, verstärkt durch vier der francianischen Elitesoldaten, die ihnen wortlos nachgefolgt waren, so als wollten sie das Gleichgewicht der Kräfte erhalten, auch wenn sie dabei die beiden Paladine in ihren Rüstungen außer Acht gelassen hatten.
Jonan wollte sich gerade unweit des Kartentischs hinstellen, als er unvermittelt vom Kaiser angerufen wurde. »Templer Estarto«, sagte dieser. »Sie begrüßen mich nicht?«
Jonan schluckte. Sein Blick huschte zu Aidalon hinüber, der ein Gesicht machte, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Aber er schwieg. Alecander dagegen nickte kaum merklich. Mehr Aufforderung brauchte Jonan nicht. Gehorsam trat er vor. »Eure Majestät«, sagte er und verbeugte sich etwas ungelenk aufgrund seines Hüftverbandes.
Der Mondkaiser ging einen Schritt auf ihn zu und blieb direkt vor ihm stehen. Seine stechend blauen Augen hinter der Maske blickten Jonan durchdringend an. »Ich hätte nicht erwartet, dass wir uns so bald wiederbegegnen.«
»Ich auch nicht, Majestät.«
»Sind Sie bereit und willens, mir erneut so gut zu dienen wie schon zuvor?«
»Jederzeit, Majestät.«
Der Kaiser neigte zufrieden den Kopf. »Dann seien Sie mir willkommen. Oh, und nicht nur ich weiß diese erneute Begegnung zu schätzen. Auch Capitaine Rochefort freut sich sicher. Er hält seit Ihrem gemeinsamen Einsatz große Stücke auf Sie.« Der Kaiser deutete auf einen der gepanzerten Elitesoldaten, der daraufhin grüßend den behelmten Kopf neigte.
Jonan erwiderte den Gruß und versuchte dabei, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Er hatte gar nicht gewusst, dass Rochefort, mit dem er vor einigen Wochen in der Trümmerzone von Paris nach Prinz Alexandre gesucht hatte, auch ein … wie hatte der Einsiedler Denier es genannt? Chevalier? … war.
»Also gut«, sagte der Mondkaiser und wandte sich damit wieder an die ganze Runde. »Genug der Grußworte. Jetzt wollen wir zur Tat schreiten und mit diesem Kriegsrat beginnen. Und zu diesem Zweck möchte ich unseren dritten Verbündeten hereinbitten.« Er drehte sich dem Vorhang zu. »Wärt ihr so freundlich, euch zu uns zu gesellen?«
Der Vorhang wurde beiseitegeschlagen, und drei Männer traten ein. Zwei von ihnen waren offensichtlich Begleiter des Dritten und von wenig eindrücklicher Gestalt. Für den Dritten galt das genaue Gegenteil. Er besaß eine kräftige Statur und einen Bürstenhaarschnitt und stellte sorgsam gepflegte Koteletten sowie einen ansehnlichen Schnauzbart zur Schau. Zu einer schwarzen Hose samt auf Hochglanz polierten Stiefeln trug er einen marineblauen Uniformrock, der mit prächtigen Schulterklappen und Tressen verziert war. Eine goldene Schärpe, an der zahlreiche Orden hingen, sowie ein Gürtel samt Holster, in dem eine Pistole steckte, die eindeutig Vor-Sternenfall-Technologie darstellte, vervollständigten sein auffälliges Äußeres.
Das alles nahm Jonan binnen der wenigen Sekunden wahr, in denen es im Zelt totenstill war. Er konnte es seinen Begleitern nicht verdenken. Auch ihm fehlten die Worte. Vor ihnen stand der sogenannte Ketzerkönig, der Herrscher von Austrogermania!
Kapitel 25
Die Türglocke zu ihrer Wohnung läutete. Es war der Vormittag des übernächsten Tages, seit Carya sich sozusagen der Widerstandsbewegung der Erdenwacht angeschlossen hatte, und da diese sich, nachdem Carya mitten in der Nacht zurückgebracht worden war, nicht mehr bei ihr gemeldet hatte,
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