Das geraubte Paradies
und eine von ihnen fuhr mit dumpfem Schlag in die Wand unweit von Caryas Position am Fenster.
Ohne länger zu zögern, richtete sie das Templersturmgewehr auf die Angreifer. Es mochte nicht zu Deniers Plan gehören, aber sie musste ihm zumindest Feuerschutz bieten, bis er das Innere der Hütte erreicht hatte. Von dort aus würde er sich länger gegen die Waldmenschen verteidigen können, und womöglich half es Carya und den anderen bei ihrer Flucht, wenn der Einsiedler ihre Feinde so lange wie möglich beschäftigte.
Sie drückte ab, und die Waffe spuckte Feuer in Richtung der Bäume. Sofort duckten sich die Angreifer hinter die Stämme. Einer jedoch schien besonders versessen darauf zu sein, Denier zu erwischen. Vielleicht wollte er Rache für seine Gefährten nehmen, die durch die Hand des Einsiedlers umgekommen waren. Todesverachtend und trotz Caryas Deckungsfeuer richtete er sich auf, zielte und schoss.
Eine Sekunde später wurde er von Caryas Kugeln erwischt und fiel taumelnd nach hinten, doch es war schon zu spät. Elje stieß ein Wimmern aus, und Caryas Eingeweide verkrampften sich, als sie sah, wie Denier zusammenzuckte und ins Stolpern geriet. Ohne sein Gewehr loszulassen, stürzte er wenige Schritte vor dem Eingang auf die Knie. Sein Gesicht war eine Maske des Schmerzes.
Das Mädchen keuchte und riss die Tür auf. »Nein«, stieß Jonan hervor und versuchte, Elje festzuhalten. Es gelang ihm nicht. Sie war einfach zu flink für ihn. Geschickt duckte sie sich unter seiner zugreifenden Hand hinweg, bevor sie nach draußen rannte.
»Au Kacke«, kommentierte Pitlit.
»Carya, gib mir Feuerschutz«, rief Jonan. »Ich hole sie zurück.«
Carya nickte, drückte erneut ab, um die Angreifer zu beharken – und nichts passierte. »Jonan!« Fassungslos presste sie den Finger auf den Abzug.
Mit zwei schnellen Schritten war Jonan bei ihr und riss die Waffe herum. Ein Fluch kam ihm über die Lippen. Er tippte auf die Munitionsanzeige an der Seite der Waffe. »Leer. Verdammt, ich hätte dich warnen sollen, dass fast nichts mehr im Magazin ist.«
Am liebsten hätte Carya sich selbst getreten. Daran hätte sie auch selbst denken können.
»Ich habe noch Munition«, sagte Pitlit und hob seinen Revolver.
Zweifelnd warf Jonan ihm einen Seitenblick zu. Er schien das Gleiche wie Carya zu denken.
Sechs Schuss
.
Carya spähte über den Lauf des nutzlosen Sturmgewehrs nach draußen. Elje hatte ihren Vater erreicht und zerrte ihn verzweifelt Richtung Hütte. Ihre Gegner begannen erneut die Köpfe hinter den Bäumen hervorzurecken. Offenbar hatten auch sie gemerkt, dass seit einigen Sekunden Feuerpause herrschte.
»Pitlit, gib mir den Revolver«, drängte Carya. »Ich versuche, sie in Schach zu halten.«
Ausnahmsweise gehorchte der Straßenjunge, ohne zu murren. Er schien zu wissen, dass die Lage zu ernst war, um Zeit durch Widerworte zu verlieren.
Den Revolver in der Hand, nickte Carya Jonan zu. »Dann lauf, schnell.«
Er holte tief Luft, bevor er geduckt nach draußen stürzte.
Vom Waldrand her peitschte erneut ein Schuss. Jonan warf sich zu Boden. Ein stechender Schmerz fuhr durch seine rechte Seite. Das war nicht gut für seine Verletzung, was er hier trieb. Überhaupt nicht gut. Aber er musste Denier helfen, und wenn auch nur deshalb, um Elje wieder in die Sicherheit der Hütte zurückzubringen.
Hinter ihm fing Carya an, das Feuer zu erwidern. Jonan wusste, dass sie wie der Teufel schießen konnte, wenn ihr Attentäter-Ich sie überkam. Es bestand also Hoffnung, dass sie auch mit bloß sechs Kugeln so viel Schaden anrichtete, dass die Wegelagerer einstweilen den Rückzug antraten und ihnen etwas mehr Zeit blieb.
Im Wald zu seiner Linken gab es einen Donnerschlag. Eine weitere Granate war hochgegangen, zweifellos die Folge eines versuchten Flankenangriffs. Offenbar waren doch mehr Gegner dort draußen als das halbe Dutzend, das sie gesehen hatten.
Jonan schüttelte den Kopf und rief sich selbst zur Ordnung. Letzten Endes war es gleichgültig. Er musste sich auf seine Aufgabe konzentrieren. Nicht zuletzt Eljes Leben hing davon ab.
Er kroch zu Denier hinüber, an dessen Seite das Mädchen hockte. Elje ächzte, während sie am schweren Körper ihres Vaters zerrte. »Komm, ich helfe dir«, sagte Jonan. Er packte Denier unter den Achseln und begann rückwärtszukriechen, wobei er den Einsiedler mit sich zog. Auf dessen Unterleib bildete sich ein nasser Fleck. Die Kugel musste ihn in der Magengegend erwischt haben.
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