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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Abschreckung die halbe Miete. Symbole an den Wänden, aufgespießte Leichen von Gegnern. Glaubt mir: Würde dort jemand wohnen, würde man das sehen.«
    Elje verzog das Gesicht, und auch Carya lief bei Pitlits Worten ein Schauer über den Rücken. »Aufgespießte Leichen? Das meinst du doch nicht ernst?« Aber dann musste sie an den mit Silber überzogenen Totenkopf denken, der vor dem Eingang des Bereichs von Godards Marktwache in der Trümmerzone von Paris auf einem Pfahl gesteckt hatte. Auf einmal kam ihr die Vorstellung erschreckend realistisch vor.
    Pitlit zuckte mit den Achseln. »Ich hab so was noch nicht gesehen. Aber im Ödland von Arcadion hat man sich davon erzählt. Und du hast doch mitgekriegt, dass diesen Verrückten ein Leben nicht viel wert ist.«
    »Also schön, wir gehen zusammen runter«, entschied Jonan. »Aber immer schön in Deckung bleiben. Unliebsame Überraschungen gibt es häufiger, als man denkt.«
    Vorsichtig näherten sie sich dem großen Einkaufsmarkt. Alles blieb ruhig, auch als sie ins Innere des Gebäudes traten. Dort erwartete sie ein unübersichtliches Durcheinander aus alten Verkaufstheken, zum Teil umgekippten, zum Teil kreuz und quer stehenden Regalreihen und herumliegendem Verpackungsmaterial.
    Bereits eine flüchtige Überprüfung ergab, dass der Markt nicht nur von Plünderern, sondern auch von blindwütigen Zerstörern heimgesucht worden war. Etliche der Regale waren zertrümmert worden, die Lampen hingen zerschlagen von der hohen Decke, und keine Glasscheibe schien mehr in einem Stück zu sein. Einmal mehr fragte sich Carya, was die Dunklen Jahre für eine barbarische Zeit gewesen sein mussten.
    Nach einem Rundgang, der sie nebenbei davon überzeugte, dass sie allein im Gebäude waren, ließen sie sich in einem Bistrobereich unweit des Eingangs nieder. Er befand sich in einer Nische, sodass man zwar die Türen gut im Blick behalten konnte, selbst aber nicht sofort gesehen wurde.
    Sie legten ihre Taschen auf den Tisch und aßen einen Teil der Vorräte, die Denier ihnen eingepackt hatte und die im Wesentlichen aus Fleisch und Pilzen bestanden. »Bevor wir weiterziehen, sollten wir uns morgen die Stadt etwas genauer anschauen«, sagte Jonan. »Wir brauchen mehr Proviant, und wenn hier irgendwo Menschen leben, dürfen wir die Chance, mit ihnen zu handeln, nicht ungenutzt verstreichen lassen.«
    Carya nickte. Das war sehr in ihrem Sinne. Sie konnte Kaninchen bald nicht mehr sehen.
    Pitlit hatte den letzten Bissen kaum heruntergeschluckt, da rutschte er schon von seinem Sitz. »Ich gehe noch ein wenig stöbern«, sagte er. »Womöglich haben die Plünderer etwas übersehen, das wir mitnehmen können. Kommst du mit, Elje?« Er sah zu dem Mädchen hinüber, das mit bekümmerter Miene an einem großen Pilz nagte. Elje schien an ihren Vater zu denken, etwas, das Carya gut verstehen konnte.
    »Geh mit ihm«, sagte sie sanft zu ihr. »Vielleicht entdeckt ihr ja etwas Interessantes.«
    Mit einem tonlosen Seufzen nickte das Mädchen und erhob sich.
    »Komm«, sagte Pitlit. »Ich wette, hier gibt es noch irgendwo einen funktionstüchtigen Einkaufswagen. Lass uns danach suchen.« Gemeinsam liefen sie los.
    »Bleibt aber im Gebäude«, rief Jonan ihnen nach. »Und passt auf unsichere Bereiche auf.«
    »Jonan.« Carya musste schmunzeln. »Ich glaube, den beiden brauchst du wirklich nicht zu sagen, wie man in so einer Umgebung klarkommt.«
    »Hm, stimmt«, brummte Jonan. »Ich vergesse immer wieder, dass die beiden sich in der Wildnis eigentlich viel besser auskennen als wir.« Er ließ sich auf einem der Stühle in dem ehemaligen Bistro nieder und verzog dabei das Gesicht.
    »Lass mich nach deiner Wunde sehen«, sagte Carya.
    »Nicht nötig«, widersprach er und winkte ab. »Es ist gar nicht so schlimm.«
    Sie setzte eine gespielt strenge Miene auf. »Keine Widerrede. Denier hat sich so viel Mühe gegeben, dich zusammenzuflicken. Wir sind es ihm schuldig, dass du schnell wieder gesund wirst. Außerdem …«, ihre Züge wurden weicher, als sie ihn liebevoll anblickte, »… möchte ich mich nur versichern, dass alles in Ordnung ist. Ich brauche dich, Jonan. Nicht nur weil wir durch die Wildnis wandern. Nicht nur weil wir auf dem Weg zur Schwarzen Zone sind. Sondern weil ich nicht mehr ohne dich sein will.«
    Auf seine Züge trat Verlegenheit. »Es … es tut mir leid, Carya. Du hast natürlich recht. Wie so oft in letzter Zeit. Daran muss ich mich auch erst mal gewöhnen, dass jetzt du dich

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