Das Geschenk der Wölfe
und senkte sie in Reubens Hals.
Reuben spürte den Schmerz, der viel stärker war als in jener Nacht, als die Bestie ihn zum ersten Mal attackiert hatte. Er war so wütend, dass er neue Kraft schöpfte und seinen Angreifer wegstoßen konnte. Er spürte, wie das Blut heiß und schnell in seinen Adern pulsierte. Im Nu war er wieder auf den Füßen und trat nach der Bestie, zerkratzte ihr mit seinen Klauen das Gesicht und schnitt in ihr rechtes Auge. Die Bestie brüllte vor Schmerz und versuchte auf Reuben einzuschlagen, aber Reuben stürzte sich erneut auf sie und schlug ihr die Zähne ins Gesicht. Tiefer und tiefer fuhren seine Reißzähne in den Gegner, bis sie in seinen Kiefer eindrangen. Die Bestie brüllte vor Schmerz.
Ich kann ihn nicht besiegen, dachte Reuben. Aber er mich auch nicht. Wieder bearbeitete der andere ihn mit dem Knie und dem Fuß, und mit seinen eisernen Armen hielt er Reuben auf Distanz. Zusammen bewegten sie sich von der Wand fort. Nicht nachlassen, dachte Reuben. Nicht nachlassen!
Mit einem wilden Knurren zerrte er so gewaltig mit den Zähnen an seinem Gegner, wie er an der Berglöwin gezerrt hatte, und er merkte, dass er bis zu diesem Moment nicht gewagt hatte, seine ganze Kraft einzusetzen. Jetzt aber musste er es tun, denn sonst würde er selbst sterben.
Wieder und wieder schlug er die Klauen in die Bestie, vergrößerte die blutende Wunde in der Augenhöhle, ohne den Kopf des anderen aus dem Maul zu lassen.
Die Bestie brüllte und fluchte in einer Sprache, die Reuben nicht verstehen konnte.
Dann erschlaffte der andere plötzlich und ließ die eisenharten Arme sinken. Ein letzter gurgelnder Schrei entfuhr seiner Kehle.
Reuben sah, dass er mit dem unverletzten Auge nur noch stumpf vor sich hin starrte, während das Blut aus dem anderen Auge strömte. Dann erschlaffte sein Körper, ging aber noch nicht zu Boden.
Reuben ließ seinen blutenden Kopf los. Hilflos und in sich zusammengesackt stand er da und starrte in die Luft. Laura stand direkt hinter ihm und sah ihn entsetzt an.
Dann kippte das Monster um, und plötzlich ging alles so schnell, dass Reuben nur noch die Axt aus seinem Hinterkopf ragen sah.
«Ich wusste es!», stammelte die Bestie. «Ich wusste es!» Mit unbändiger Wut heulte sie auf und versuchte sich die Axt aus dem Kopf zu ziehen, aber es gelang ihr nicht, weil sie Arme und Pfoten nicht mehr kontrollieren konnte. Blut und Schaum quoll ihr aus dem Mund. Sie drehte sich um sich selbst und versuchte, den Oberkörper aufrecht zu halten, heulend und irre vor Schmerz.
Reuben zog dem Monster die Axt aus dem Schädel, und als es sich umdrehte, hieb er in seinen Hals. Die Schneide fuhr in seine Mähne, senkte sich in sein Fleisch und durchtrennte seinen Hals bis zur Mitte. Die Bestie verstummte, aus dem hängenden Kinn tropften Speichel und Blut, und ihrer Kehle entfuhr ein ersticktes Fauchen.
Reuben zog die Axt heraus und holte erneut aus. Mit einem Hieb durchtrennte er den Hals der Bestie nun endgültig, und der Kopf fiel krachend zu Boden.
Ohne darüber nachzudenken, was er tat, ergriff Reuben den Kopf und warf ihn ins Feuer, während der Rumpf der Bestie auf dem Teppich in sich zusammensackte.
Laura schrie auf. Reuben sah sie vor dem Kaminfeuer auf die Knie fallen und schließlich zu Boden gehen.
Ganz außer sich schrie sie: «Reuben, zieh ihn aus dem Feuer! Aus dem Feuer! Um Himmels willen, schnell!»
Flammen umzüngelten den Kopf und griffen auf das blutige Auge über. Reuben konnte nicht anders, als ihn aus den brennenden Holzscheiten zu ziehen. Rauch umwirbelte ihn wie Staub, und letzte Funken glühten im versengten Haar.
Dann lag er unförmig da, blutig und blind.
Das schwarze Haar löste sich wie von Zauberhand, sowohl vom Kopf als auch vom Körper, der gleich danebenlag. Da es kein lebendes Organ mehr gab, in das es sich zurückziehen konnte, fiel es einfach ab, während Kopf und Körper schrumpften, bis sie in einem Nest von Haaren lagen – ein Männerkörper und ein Männerkopf, nackt, geschunden, blutig und tot.
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22
R euben fiel auf die Knie. Jede Faser seines Körpers schmerzte, und sein Kopf glühte.
Ich bin also kein Morphenkind. Ich bin ein hassenswertes Monster. Ein Monster, das gerade ein Morphenkind getötet hat, wenn auch mit ein wenig Hilfe seiner Geliebten.
Laura begann so hysterisch zu weinen, dass es fast klang, als ob sie lachte. Sie kniete sich neben Reuben, und er nahm sie in die Arme. Erst jetzt sah er, dass ihr
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