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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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davon entfernt, den Kopf zu verlieren.
    Aus irgendeinem Grund wartet der andere noch, dachte Reuben. Irgendetwas stört ihn. Er trat einen Schritt auf den anderen zu, der darauf noch weiter zurückwich.
    «Und nun?», fragte Reuben. «Sie glauben, Sie müssen mich erledigen, mich zerstören, weil Sie einen Fehler gemacht haben?»
    «Ich habe keine andere Wahl», sagte die Kreatur mit tiefer Stimme. «Ich sagte ja bereits, dass es niemals hätte geschehen dürfen. Hätte ich gewusst, was passiert, hätte ich Sie zusammen mit den Mördern getötet. Aber Sie wissen ja, wie verwerflich es ist, unschuldiges Blut zu vergießen. Als ich meinen Fehler bemerkte, habe ich von Ihnen abgelassen. Es hätte ja sein können, dass die magische Substanz, das Chrisam, nicht weitergegeben wird, dass Sie sich von meinem Biss erholen oder sterben. Das passiert oft genug. Vor allem Letzteres.»
    «Das Chrisam?», fragte Reuben. «So bezeichnen Sie es?»
    «Ja. So bezeichnen wir es seit ewigen Zeiten. Das Geschenk, die Gabe. Es gibt viele Wörter dafür. Doch das tut nichts zur Sache.»
    «Wir?», fragte Reuben. «Was heißt ‹wir›? Wie viele von unserer Art gibt es denn?»
    «Ich weiß, dass Sie darauf brennen, alles zu erfahren», sagte die Kreatur verächtlich und schien sich beherrschen zu müssen, um ruhig weiterzusprechen. «Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass es mir anfangs genauso ging. Sonst kann ich mich an nichts aus dieser Zeit erinnern, aber daran schon. Doch warum sollte ich Ihnen etwas erzählen, wenn Sie ohnehin nicht weiterleben dürfen? Spielen Sie auf Zeit? Oder tue ich es gar? Jedenfalls fällt es mir leichter, Sie zu töten, wenn ich freundlich bleibe. Ich habe nicht die Absicht, Sie zu quälen. Sie und die junge Frau. Nein, das liegt mir fern.»
    Der Gegensatz zwischen kultivierter Ausdrucksweise und bestialischer Erscheinung hatte etwas Groteskes. Mit Schrecken dachte Reuben, dass er auf andere genauso abscheulich und monströs wirken musste.
    «Lassen Sie die Frau gehen», sagte er. «Sie kann meinen Wagen nehmen. Sie fährt einfach weg und …»
    «Nein, das geht nicht», sagte die Bestie. «Sie selbst haben ihr Schicksal besiegelt, als Sie ihr das Geheimnis enthüllten, wer und was Sie sind.»
    «Ich kenne dieses Geheimnis ja selber nicht», sagte Reuben und spielte tatsächlich auf Zeit. Gleichzeitig überlegte er, wie er den anderen am besten angreifen sollte, wo seine verletzlichste Stelle war. Hatte er überhaupt eine? Er trat noch einen Schritt näher auf ihn zu, und wieder wich der andere zurück.
    «Das spielt jetzt keine Rolle mehr», sagte der andere.
    «Für mich aber schon», sagte Reuben.
    Was für ein Spektakel – zwei furchterregende Monster, die sich ein Rededuell lieferten! Noch einmal trat Reuben einen Schritt vor, und wieder wich der andere zurück.
    «Sie sind noch jung», sagte der andere und schien sich darüber bewusst zu sein, dass Reuben ihn langsam in die Enge trieb, aber er unternahm nichts dagegen. «Hungrig nach Leben. Hungrig nach Macht.»
    «Sind wir nicht alle hungrig nach Leben?», fragte Reuben ruhig. «Das verlangt das Leben selbst. Wenn wir nicht danach hungern, verdienen wir es nicht.»
    «Aber Sie sind ganz besonders hungrig», sagte der andere. «Sie können mir glauben, dass es mir keine Freude macht, jemanden zu vernichten, der so stark und vital ist.» Seine kleinen dunklen Augen blitzten im Widerschein des Feuers auf.
    «Und wenn Sie mich nicht vernichten, was dann?»
    «Ich bin für Sie verantwortlich, für Sie und Ihre erstaunlichen Taten», sagte die Bestie herablassend. «Für Ihr Wüten, das alle Welt aufschreckt und auf Ihre Ergreifung hinarbeiten lässt, damit man Sie einsperren, betäuben und analysieren kann, um Sie dann wie in einem Kuriositätenkabinett hinter Panzerglas auszustellen.»
    Reuben trat noch einen Schritt vor, aber dieses Mal blieb der andere stehen und hob eine Pfote, als wollte er Reuben Einhalt gebieten. Es war jedoch nur eine halbherzige Geste. Was war es nur, das diese Kreatur ihm mit tausend kleinen Gesten zu verstehen gab?
    «Ich habe nur getan, was mir am natürlichsten vorkam», sagte Reuben. «Ich habe Stimmen gehört, Stimmen, die mich gerufen haben. Und ich bin dem Gestank des Bösen gefolgt. Was ich getan habe, war so natürlich wie atmen.»
    «Wie beeindruckend», sagte der andere ohne Häme. «Sie glauben gar nicht, wie viele in den ersten Wochen kränkeln und schließlich sterben. Man weiß nie, wie sie es verkraften. Es

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